Die Geschichte des Krautrock wurde schon oft erzählt und bedarf nicht unbedingt einer Neuauflage. Die kroatischen Psychrocker Seven That Spells haben ihre aktuelle Trilogie allerdings genau diesem Unterfangen gewidmet. Dass sie dies in Form interessanter (Meta-)Musik tun, ist nicht ungewöhnlich. Ein gewagtes Projekt wird es erst dadurch, dass sie nicht die Entstehung des Krautrock zum Ausgangspunkt nehmen, sondern seinen Niedergang, von dem aus sie in die Zukunft blicken. Das macht das Ganze zu einer recht optimistischen Angelegenheit und gipfelt in einem Ja zu allem, was mit Revivals, Neuauflagen und historischem Retrobewusstsein zu tun hat.
Ich räume ein, dass es vor allem der Titel des ersten Teils der Serie war, der mich auf diesen Gedanken gebracht hat, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob das Konzept wirklich mehr sein soll als ein vager Rahmen für eine traditionsbewusste Musik, wie sie aus den Annalen des frühen 21. Jahrhunderts nicht wegzudenken sein wird – man denke nur an die zahlreichen (vor allem amerikanischen) Bands, die eine historische Entwicklung nachzeichnen, die irgendwo bei den 13th Floor Elevators (oder meinetwegen auch den Doors) begann, sich im Laufe der 70er Jahre irgendwann aufgabelte und entweder garagenpunkig bei den Fuzztones ankam, oder mit weißen Tennissocken bei Van Halen. Seven That Spells geben sich konzeptuell bewusster als viele andere, scheinen (ohne dass man das zwangsläufig heraushören muss) eher an deutscher Psychedelik interessiert und tragen ein ehrliches Pathos zur Schau, das auch zu seinen prätentiösen Momenten steht. Schier endlos repetitive Gitarrensoli entfalten sich schon über den kräftigen Riffs und der ausladenden Drumarbeit des noch verhältnismäßig kurzen Openers. “Aum” und “Zero” bilden mit jeweils knapp zwanzig Minuten Spieldauer den Kern des Albums: Becken und Highhats und komplexe Taktstrukturen, in Aufbau und Tempo stets wechselhafte Rhythmusgitarren, die das Klangbild streckenweise etwas dystopischer und angepunkter wirken lassen, als es bei einem reinen Revival zulässig wäre, und der langezogene (textlose?) Chorgesang – die “Ressurection” scheint in “Aum” nicht nur Thema zu sein, sondern ebenso sehr ein Anliegen, dass man hier ganz dreist zu verwirklichen sucht. Dass es sich nicht um reine Peace und Love-Musik handelt, wird vor allem beim stellenweise ins Atonale kippenden “Zero” deutlich, das wie ein droniges Stonermetal-Stück beginnt und seinen Intro-Charakter beibehält. Im Verlauf musste ich weniger an Krautrock denken, als an das unkategorisierbare “Time to Melt” von Jello Biafras und Al Joergensons großartigem Lard-Debüt.
Dass die drei Zagreber Spielfritzen sind, die gerne mal auf die Kacke hauen, begreift man spätestens bei “Rock ist Krieg”. Das spackige Gebrüll zu Beginn könnte auch der Auftakt einer Grindcore-Nummer sein – es handelt sich hier auch um das schmissigste Stück des Albums, doch der funkige Psychrock straft den ersten Eindruck Lügen. Beim Ausklang des Albums dominiert dann auch mal deutlicherer Gesang und eine feierliche Rock-Atmosphäre, die im Unterschied zur Referenzmusik (leider) auch so etwas wie Stadiontauglichkeit hat.
Sollten Seven That Spells den speziell deutschen Vertretern psychedelisch-hippiesker Musik, in deren Tradition sie sich sehen, nicht nur huldigen, sondern auch selbst zu einer neuen Blüte verhelfen, dann würde das mit einer absolut idyllfreien Reduktion sämtlicher Langsamkeit einhergehen, die man mit Gruppen wie Amon Düül II assoziiert, die aber auch rockigeren (Can) und experimentierfreudigeren (Faust) Vertretern noch vergleichsweise anhaftet. Bei allen angeführten Kritikpunkten sind die Kroaten vor allem für ihren keineswegs bemüht wirkenden Balanceakt anzuerkennen, mit dem sie ihr ganz eigennes Spannungsverhältnis zwischen Nostalgie und Humor (man denke an den vorigen Albumtitel “Acid Taking and Swet Love Making”), Vitalismus und dytopisch angehauchter Coolness aufrecht erhalten.
A. Kaudaht
Label: Beta-lactam Ring Records