Die Pyramide und das Blut sind Symbole mit einer langen Geschichte. Die Frage, ob bei La Piramide Di Sangue, einer Psych Rock-Bande aus Turin, all die zahlreichen Bedeutungen von der Lebenskraft bis zur monumentalen Ordnung zusammen kommen, wäre wohl eher spekulativ zu beantworten, schon weil die Musik der siebenköpfigen Gruppe weitgehend auf Texte verzichtet und die wenigen Ausnahmemomente mit Worten in einer mir fremden Sprache aufwarten. Angesichts der energiegeladenen Musik neige ich jedoch zu einem intuitiven Ja.
Zu den Fakten: La Piramide Di Sangue formierten sich vor wenigen Jahren in Turin, als die meisten Mitglieder noch in anderen Bands aktiv waren – unter anderem den Movie Star Junkies, eine der „amerikanischsten“ Bands vom Stiefel, deren Surf- und Garage Punk-Album „Melville“ eine Entdeckung wert ist. Formierung hat in dem Fall wenig mit einem kreativen Urknall zu tun, denn das Projekt trat zunächst als Einzelunternehmen des Klarinettisten und Drummers in Erscheinung, bis sich nach und nach weitere Musiker beteiligten. Mittlerweile verfügt die Band über einen weiteren Drummer, zwei Gitarren, zwei Bässe und einen Synthesizer – ein Instrumentarium, mit dem La Piramide Di Sangue (auf ihre Art vergleichbar mit Gruppen wie den Death Metallern Nile und neuerdings auch Om) westlichen Rock mit orientalischen Melodien kombinieren. Musiker-Pseudonyme wie Ayatollah Kebab lassen erahnen, dass bei all dem auch der Humor nicht zu kurz kommt.
“Tu getti sale sulle mie ferite” – du streust Salz in meine Wunden – beginnt mit lärmigen Klangwänden, die effektvoll einstürzen und dabei jede Menge Staub und Schutt aufwirbeln. Die Drum Section bearbeitet die Felle anfangs recht zackig, bis jede Struktur vollends aufgegeben wird. Aber das ist nur der Auftakt, der Rest ist psychedelischer Ästhetizismus im besten Sinne und ohne zu viel Romantik. Er lebt nicht nur in diesem Stück von beschwörenden Dialogen zwischen der smoothen Klarinette und dem relaxten Gitarrenspiel, von spontanen Tempowechseln, die ebenso vielen Wechseln zwischen leichten und massiven Klangvolumina entsprechen.
Geheimnissvolle Melodien, die sich bereitwillig orientalische Exotik zunutze machen, ziehen sich durch das ganze Album, wirken narrativ wie der dominante Score eines Films, dessen nächtlicher Schauplatz sich von verwinkelten Kairoer Gassen über das Nilufer bis zum geschichtsträchtigen Theben erstreckt. Die zeitweise Funkyness der Gitarren, gelegentliches Überschreiten der Grenzen zum Metal und gesamplete Radioansagen verdeutlichen, dass dies kein west-östlicher Divan der gefälligen Art ist, sondern eine Geschichte, die unter ihrer geheimnisvollen Schönheit (vgl. den Bauchtanz-Exotismus in „Io sono la tigre“ und die ekstatischen Perkussionseinlagen auf bongoartigen Instrumenten) einen tiefgründigeren Subtext anklingen lässt. Wie sich darin Mystik und Weltliches zueinander verhalten, in welcher Relation islamische und altägyptische Elemente zueinander stehen, bleibt ein Geheimnis.
Schon nach den ersten zwei oder drei Stücken wird klar, dass „Tebe“ nicht einfach das Debütalbum eines herumexperimentierenden Psychedelic-Kollektivs ist, sondern das konzeptuell gut durchdachte Werk von bereits routinierten Musikern, die genau wissen, in welcher Relation Komposition und Improvisation sowie Exotik und solides Handwerk zueinander stehen sollten. Schon deshalb klingt La Piramide Di Sangue wie keine andere mir bekannte Band. 500 Interessierte können „Tebe“ auf rotem Vinyl entdecken.
Label: Sound of Cobra/Boring Machines