V.A.: Kosmoloko 2

Die vor acht Jahren erschienene Zusammenstellung „Kosmoloko“ gab einen Überblick über die auf dem kleinen Label aus Braunschweig veröffentlichenden Künstler. Von den 2004 daran teilnehmenden Projekten fehlen auf dem Nachfolger zwei: Zum einen Karl Runau, der schon damals eine lange Phase des Schweigens hinter sich hatte, zum anderen Maska Genetik, das russische, schon vor einigen Jahren aufgelöste Einmannprojekt, dessen Schwanengesang „Strada“ von Galakthorrö 2011 posthum veröffentlicht wurde. Hinzugekommen sind Herz Jühning sowie „Nekromantik“-Komponist Hermann Kopp, die beide in den letzten Jahren je ein Album und eine EP auf Galakthorrö veröffentlicht haben.

Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Praxis auf Compilations – seien es jene, die thematisch ausgerichtet sind, seien es Überblicke über das Programm eines Labels – Bekanntes, bestenfalls Remixe zu veröffentlichen, fanden sich auf „Kosmoloko“ von jedem Künstler je zwei exklusive, sonst nirgendwo zu findende Beiträge – etwas, das mit dem zweiten Sampler weitergeführt wird. Schon im Rahmen anderer Rezensionen von Galakthorrö-Künstlern habe ich darauf hingewiesen, inwiefern sie sich von einer Menge anderer Projekte aus dem Postindustrial unterscheiden: Zum einen ist da der durchgängig gute Klang, ohne jedoch glatt zu klingen, zum anderen fällt – auch bei den rabiatesten Vertretern – auf, dass sie weniger Tracks als tatsächlich Songs schreiben (können). Galakthorrö hatten zudem immer einen gewissen corporate sound, der durch anloge Synths geprägt war. Thematisch beschäftig(t)en sich alle Künstler (auch) immer wieder mit dem Abseitigen, hielten und halten dem homo sapiens, „villainous king of beasts, [… ] deformed ape“ (R. Jeffers) einen Spiegel vor, um ihn als den Anthropofagen darzustellen, der er ist. Das geschieht mal auf subtile(re), mal auf brachialere Weise.

Die „Kosmoloko 2“ eröfffnenden November Növelet hatten mit ihrem 2007 veröffentlichten zweiten Album „Magic“ sowie der ein Jahr später erschienenen „Sacred“-EP gezeigt, dass sie mit analogen Retrosounds – ich habe schon bei einer anderen Besprechung geschrieben, dass die Analogmelodien und eingesetzten Instrumente auf eine Zeit verweisen, in der Elektropop gerade begann – und dezent gesetztem (Sprech-)Gesang eine ganz eigene Welt der Melancholie, dieses „angeschwärzten Gefühls“ (U. Horstmann), dieser „Minoritätensicht der Dinge“ (ders.), erzeugen konnten. „The Darkness of my Mind“ kommt völlig ohne Rhythmus aus: stattdessen dezente analoge Melodiefetzen, dann ein nach etwa zwei Minuten hinzukommender getragener Gesang, der von der „inneren Dunkelheit“, den „dunkelsten Begierden“ kündet. „Changing Mind“ dagegen wird von einem dezent puslsierenden Beat durchzogen und den Gesang übernimmt Herr Arafna. Auf diese zwei Stücke folgt das Einmannprojekt Subliminal, das seit 2000 zwei Alben und zwei EPs vorzuweisen hat und das inzwischen sicher das rabiateste Projekt auf Galakthorrö ist. „Embrace“ wird durch den psychopathischen Gesang geprägt, der fortwährend zwischen aggressiver, manischer Eruption und Kontrollverlust changiert, während im Hintergrund die analogen Schleifen verzerrt tönen. Die Vocals machen deutlich, dass man auf dem vermeintlichen Höhepunkt der Souveränität (auch) die eigene Hilflosigkeit bemerken kann. Diese Ambivalenz findet sich auf etwas andere Weise bei William Bennett bis etwa zur Zeit von „Mummy and Daddy“. „For Your Eyes Only“ ist im Gegensatz dazu fast nur instrumental und wird von zischenden Analogsounds durchzogen, nur gegen Ende kommt ein Brüllen/Würgen/Schreien hinzu, das zu den unangenehmsten Geräuschen gehört, die ich in den letzten Monaten auf einem Tonträger gehört habe (und das den Menschen in all seiner Kreatürlichkeit zeigt). Subliminal machen wahrlich Musik fürs Terrorkino. Die Beiträge von Herz Jühning fallen dagegen fast entspannend aus: „You’re the worm in his apple“ deklamiert die leicht verzerrte Stimme zu Beginn von „Son of Earth“. Dezente Rhtyhmusspuren und melodische Passagen sorgen in Verbindung mit dissonanten Momenten für einen Angst Pop-Song von latenter Aggressivität. „Der elektrische Horror“ (trotz Titels mit englischem Text) setzt auf verzerrtes Pulsieren, Brutzeln, zurückgenommenen Sprechgesang und Augenblicke, in denen die Zurückhaltung aufgegegen wird. Hermann Kopp, der laut seiner Website „Haunting sounds for extreme visions“ erzeugt, beginnt mit „Putrefaction“: Im Hintergrund hört man die wie immer leicht atonale elektrische Geige, die von Elektronik untermalt wird. „Vessels“ kombiniert eine simple auf Geige gezupften Melodiefolge mit gestrichener Geige  – natürlich ist alles angemessen dissonant. Abgeschlossen wird diese Zusammenstellung von Haus Arafna, die in den vergangenen Jahren das Brachiale, Wütende, das die früheren Veröffentlichungen prägte, zurückgefahren haben, der atonale Schock wich oft einem selbst so betitelten Angst Pop. „Lying in State“ ist allerdings weit von der Milde und Reflexion des Alters entfernt: Durchzogen wird das Stück von Rhythmus, der wie Schläge klingt, der Sprechgesang eskaliert und mutiert zu Schreigesang. Bei diesem minmalen Stück wird die Aggression vom Gesang getragen. Das abschließende „Your Hero“ ist dagegen ruhiger: minmales Pulsieren, irritierende Töne im Hintergrund, der Sprechgesang bleibt unverzerrt und wird wie so oft von einer melancholischen Nachdenklichkeit geprägt.

Wie auch der Vorgänger enthält “Kosmoloko 2″ zehn Stücke, auf denen eine Welt erzeugt wird, die man nicht unbedingt immer selbst bewohnen möchte, deren Faszination bei der Betrachtung man sich aber schwerlich entziehen kann.

M.G.

Label: Galakthorrö