Searching for Subterranean Sounds. Interview mit Silvia und Andrea von Yerevan Tapes

Abgesehen von der ursprünglichen Bedeutung als Ettikett rangiert die Semantik des Begriffs “Label” zwischen Plattenfirma und Marke, und auch in weniger kommerziellen Nischen kann man viele Labels dahingehend unterscheiden, welche der beiden Bedeutungen ihnen eher entspricht. Zum einen gibt es die Labels, die innerhalb eines nicht allzu eng gefassten Spektrums eine gute Bandbreite an Acts verlegen, ohne dass es eine klar erkennbare Hausphilosophie und eine deutliche ästhetische Linie gäbe. Auf der anderen Seite Weiterlesen

METZENGERSTEIN: Albero Specchio

Als Edgar Allen Poe sich für sein fiktives Adelsgeschlecht den Namen Metzengerstein ausdachte, hatte er sicher die mysteriöse Tiefgründigkeit und zugleich kantige Härte im Sinn, die Fremdsprachler seit jeher mit dem Deutschen assoziieren. In den 90ern taufte sich ein Buchverlag auf diesen Namen, und dass sich erst vor wenigen Jahren eine Band so nannte, ist fast schon etwas verwunderlich, denn er würde zu so ziemlich allem passen, was irgendwie finster und sperrig klingt, von Black Metal über Goth bis mit etwas Fantasie hin zu dunklem Crustcore. Weiterlesen

FATHER MURPHY: Croce

In unserem Interview kündigten Father Murphy bereits vor einem knappen Jahr ihr neues Album “Croce” an und erwähnten, dass sie sich – trotz ihrer ansonsten englischsprachigen Texte – für den Titel entschieden hatten, weil er im Italienischen wesentlich kantiger klingt als das vergleichsweise softe englische “Cross”. Das war schon deshalb eine treffende Wahl, da auch die Musik rau und kantig klingt, genau so, wie man es von dem Duo aus Veneto, das eine düstere Form des Noiserock spielt, auch erwartet. Doch er ist auch eine gute Wahl wegen seines Symbolgehalts. Wenn Federico und Chiara als Weiterlesen

URNA: Couchemar

Hinter dem Namen Urna versteckt sich der italienische Ritualdröhner Gianluca Martucci, der neben der Musik auch als Maler und Tattoo Artist aktiv ist und bereits Artwork für Kinit Her gestaltet hat. Dass seine bisherigen Alben hierzulande, trotz Signings bei Slaughter Productions oder den rührigen Brave Mysteries, etwas untergegangen sind, mag eventuell auch dem unscheinbaren Namen geschuldet sein. Dem sollte man allerdings abhelfen, und sein neues Tape könnte da einen guten Einstieg bieten. Weiterlesen

HEROIN IN TAHITI: Canicola

Wenn Musiker die Sonne, die Flora und die regionalen Bräuche ihrer Länder besingen, endet das nicht selten im Postkartenkitsch, v.a. wenn es sich bei dem Land auch noch um ein beliebtes Touristenziel handelt. Wer Heroin in Tahiti kennt, weiß allerdings, dass sie unter exotischem Charme etwas anderes verstehen, denn ihre im Zeitlupen-Surfsound beschworenen Südseesettings strahlten eine dreckige Düsternis aus, die mehr mit einem Neo Noir-Streifen gemein hat als mit einem auf Hawaii spielenden Elvis-Schinken. Wer die römische Band in den Jahren ihres Bestehens etwas genauer verfolgt hat, der erinnert sich vielleicht daran, dass sie sich auch schon ihrer italienischen Heimat gewidmet haben. Weiterlesen

FUTEISHA: Dannato

Man kann Futeishas „Dannato“-Tape nicht im engeren Sinne als Apokalyptic Folk bezeichnen, und doch sollte der Bezug zu dieser Traditionslinie nicht unterschlagen werden. Nicht, weil Juan Scassa, einer der Gitarristen von La Piramide di Sangue, in seinem Soloprojekt molllastige Akustiksongs spielt und schon im Titel (gr. „thanatos“) auf letzte Dinge deutet. Auch nicht bloß, weil der aus Argentinien stammende Turiner neben anderen Vorlieben auch auf die alte World Serpent-Schule schwört. Eher deshalb, weil man unter Futeishas mystischen Psychedelia heute Dark Folk verstehen könnte, wenn sich die Dinge in den greater times etwas anders entwickelt hätten und sich die Weiterlesen

MAI MAI MAI: Δέλτα (Delta)

Mai Mai Mai ist eine moderne Abenteuergeschichte, eine Art Odyssee durch eine analoge mediterrane Welt, in der der mythische Held, sein Name ist Toni, allerhand Dinge zu meistern hat, die für den Rezipienten vage und abstrakt bleiben müssen. Dies ist v.a. dem Medium der Geschichte geschuldet, denn Mai Mai Mai ist weder Epos, noch Film, noch Balladensammlung, sondern ein weitgehend instrumental gehaltenes, elektronisches Musikprojekt – diesmal unterstützt durch eine handvoll Gäste, die das Album “Delta” ein gutes Stück vom Vorgänger “Theta” abheben. Weiterlesen

LA PIRAMIDE DI SANGUE: Sette

La Piramide di Sangue sind ein Unikat, das in der heutigen Psychedelia- und Stoner-Szene einen eigenen Platz beanspruchen kann, auch wenn es sicher etliche gibt, die sich in der Tradition von Embryo oder der Third Ear Band wähnen und ausladende, experimentelle Rockstrukturen mit orientalischen Elementen garnieren. Was das Turiner Septett, das aus einer doppelten Rockbesetzung und einem Klarinettisten besteht, hervorhebt, ist eine kraftvolle und unberechenbare Aufbruchstimmung, bei der man dankbar sein kann, dass das Ganze zumindest nicht durchgehend auf Metal hinausgelaufen ist. Dies traf Weiterlesen

HEROIN IN TAHITI: Peplum 7′

Doomige Keyboards, verwegene Twangs und ein langsamer, tiefschwarzer Groove – Heroin in Tahiti, die beiden Doomsurfer aus Rom bleiben sich treu, präsentieren nach dem Split mit Ensemble Economique ihr nächtes Lebenszeichen und erweitern das Tape-Label Yerevan mit dem untypischen Medium einer schön gestalteten schwarzen 7”. Weiterlesen

DONATO EPIRO: Fiume Nero

Ein Debüt ist „Fiume Nero“ nur im allerformalsten Sinne, denn Donato Epiro ist im italienischen Underground kein Unbekannter und auch Leser unserer Seiten sollten den Namen kennen. Er ist Teil des Duos Cannibal Movie, das mit Orgel und Schlagwerk die Geister alter Exploitation-Filme beschwört und zugleich auf die Frage, was ein etwas abgegriffener Begriff wie Psychedelic heute noch bedeuten kann, ein paar interessante, düstere Antworten zur Hand hat. Solo ist Epiro weitaus elektronischer unterwegs und offenbart ein Interesse an harten, entgrenzten Ritualklängen. Einiges davon erscheint seit Weiterlesen

FATHER MURPHY: Pain Is On Our Side Now

In der Welt der experimentellen Musik ist es mehr als einmal vorgekommen, dass eine konzeptuelle Idee besser klang als das Resultat ihrer Umsetzung. Dessen müde, mag man vielleicht zu einer gewissen Skepsis neigen, wenn Father Murphy – bekannt für Marotten mit Stil – ihre neue Veröffentlichung als ein Album ankündigen, das zugleich ein doppeltes ist, und dem Hörer, vorausgesetzt er besitzt zwei Turntables, eine nicht unwesentliche Rolle im kreativen Prozess beimisst. „Pain Is On Our Side Now“ besteht aus zwei einseiting bespielten Vinylscheiben im 10”-Format, mit jeweils zwei Songs, die man je nach Neigung oder technischer Ausstattung der Reihe nach hören kann. Man kann sie jedoch auch Weiterlesen

V.A.: Occulto Issue E (Magazin & Compilation)

Occulto ist ein englischsprachiges Magazin, dass sich einer sehr fundamentalen Definition des Okkulten verschrieben hat – okkult versteht sich hier im Sinne des Verborgenen, Geheimen, nicht ohne Anstrengung Sichtbaren. Das Magische, womit man das Okkulte landläufig gleichsetzt, ist allenfalls Teil dessen. Ein häufig wiederkehrendes Thema der Zeitschrift sind die unterschwelligen Verknüpfungen zwischen Kunst und Wissenschaft, was von einem naturwissenschaftlichen Blick auf kulturelle Erzeugnisse bis hin zur Erforschung ästhetischer Phänomene in den Nischen der Natur reicht. Der Blick auf das Verborgene vermag also auch den breiten Graben zu überbrücken, der sich in unserer arbeitsteilig ausgerichteten Kultur zwischen all diesen Wissensbereichen auftut. Das Okkulte Weiterlesen

MAI MAI MAI: Theta

Toni Cutrone, der sein Soloprojekt Mai Mai Mai nennt, ist eine umtriebige Person und hat der Undergroundszene Roms schon in jungen Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Gerüchte künden von einer Kindheit in der griechischen Ägäis und Reisen quer durch Europa und den mittleren Osten. Italiener rollen allerdings mit den Augen, wenn das zur Sprache kommt. Ein moderner Münchhausen? Das wäre bei jemandem, der meist mit Maske auftritt, nicht so verwunderlich, doch einige seiner Taten sind offiziell verbrieft: Sein rühriger Club, sein Label und die Bands Hiroshima Rocks Around und Trouble Vs. Glue, mit denen er Noiserock und ein Weiterlesen

MAMUTHONES: More Alien Than Aliens

Das markante Wort Mamuthones wäre der ideale Bandname für eine doomige Post Metal-Kapelle – eine Assoziation, die sich nicht einmal allzu grob in der Richtung irrt, sondern nur knapp daneben zielt. Drummer Alessio Gastaldello, der zuvor bei der Band Jennifer Gentle die Felle schlug, rief das Projekt vor gut sechs Jahren ins Leben, um seinen Interessen an grummeligen Soundkollagen und rituellen Stimmungen nachzugehen, die mal eine rockige, mal eine experimentelle Gestalt annehmen. Recht schnell erkannten die Schreiber-Kollegen eine gewisse Nähe zu Goblin und diversen Krautbands, und natürlich fiel auch immer mal der allgegenwärtige Drone-Begriff. Weiterlesen

ETERNAL ZIO: s/t

Es ist schwierig, das Pagane, Animistische im Rahmen folkloristischer Musik zu inszenieren. Lässt man Ritualmusik im engeren Sinne oder Songs, die von solchen Themen eher „berichten“, einmal weg, bleibt eine theatralische Musik übrig, die schnell Gefahr läuft, in gewisse Klischeefallen zu tappen. Das ist insofern kein Wunder, da Folklore in der Moderne mehrheitlich in Form von Exotismus und Spießer-Mummenschanz überlebt hat – Stereotypen, in die man leicht verfallen kann, wenn man sich all dem unbedacht nähert. Lässt man sich durch den berechtigten Zweifel an einem inflationären Wort wie „authentisch“ von jeder Annäherung an Ursprüngliches abbringen, bleibt meist die Flucht in unverbindliche Spielereien, denen die Welt solch zwiespältige Weiterlesen

SPETTRO FAMILY: La Famiglia Spettro

Hinter der Gespensterfamilie aus Salerno verbirgt sich eine Einzelperson: Stefano Iannone, Betreiber des Vade Retro-Labels und leidenschaftlicher Fan des klassischen italienischen Genrekinos und seiner Musik. Im Unterschied zu seinen Landsleuten von Cannibal Movie liegt sein Schwerpunkt allerdings nicht auf buntheißen Mondo- und Kannibalenschinken, ihn fasziniert mehr der wohlig-nächtliche Schauder, wie man ihn aus aus den Werken Bavas (“La Maschera del Demonio”), Martinos (“All the Colours of the Dark”) oder Argentos („Suspiria“, „Inferno“) kennt. Und wenn wir gerade bei Weiterlesen

Our nostalgic feelings are projected towards the future. Interview mit Cannibal Movie

Als Teile der Menscheit begannen, sich als modern und rational zu betrachten, bedurfte es einer markanten Kehrseite, welche die eigene Zivilisiertheit im Kontrast umso deutlicher hervorscheinen ließ. Furchteinflößend musste der finstere Doppelgänger sein, war es doch seine Aufgabe, die zurückgelassene Roheit umso barbarischer und jeden Rückfall undenkbar erscheinen zu lassen. Neben übernatürlichen Gestalten musste vor allem der sogenannte Wilde dafür herhalten, und der Kannibale war einer seiner krassesten Ausprägungen, weshalb er auch nie die romantische Inversion als “edel” erfahren hat. Moderne Europäer dachten beim Kannibalen meist an Völker aus den Kolonien, freilich gibt es Verzehr von Menschenfleisch auch in der eigenen Geschichte. Weiterlesen

IN ZAIRE: White Sun Black Sun

In einer gepfefferten Auskennerreview könnten In Zaire schlecht wegkommen. Warum kann Rock nicht von seiner eigenen Geschichte lassen? Was kann man noch hinzufügen zu den fraglos interessanten Kapiteln, die Gruppen wie Hawkwind oder Pink Floyd vor rund vierzig Jahren zum Thema psychedelischer Musik eröffneten? Wozu braucht es nach dem jahrelangen Retrohype noch ein weiteres Psych Rock-Album? All diese Fragen sind berechtigt, doch wenn einem „White Sun Black Sun“ trotz allem frisch und radikal erscheint, dann muss es wohl etwas geben, das schwerer wiegt als Innovation. Weiterlesen

FATHER MURPHY: ORSANTI They Called Them

Es gibt sicher eine Reihe an Gründen, von der gegenwärtigen Musik ernüchtert zu sein – es reicht schon aus, in der endlosen Variation bekannter Stile weniger die Vielfalt zu sehen, sondern eher das Inflationäre, die schiere Quantität. Es gibt jedoch ebenso viele Gründe, von Father Murphy begeistert zu sein. Mit ihrer Wucht und ihren ausgefallenen Ideen haben auch die drei Turiner die Musik nicht neu erfunden und ihre Stil-Entwicklung ist keineswegs frei von Referenzen. Sie haben sich aber zwischen vielen bekannten Feldern ein zuvor unentdecktes Weiterlesen