WOODPECKER WOOLIAMS: The Bird School Of Being Human

Als ich Gemma Williams alias Woodpecker Wooliams zum ersten Mal auf einer Bühne erleben durfte, ging mir das alles noch etwas zu sehr in Richtung einer jungen Kalifornierin, die vor ein paar Jahren mit Harfe, High Heels und Tremolo in aller Munde war. Allerdings war Gemmas britischer Akzent nicht der einzige Punkt, mit der sie ihrem modernistischen Spiel auf der Miniaturharfe und ihrem verschrobenen Gesang dann doch noch ein eigenes Terrain innerhalb experimenteller Folksparten sichern konnte. Da war eine vitale Energie, die mich auf Dauer mehr ansprach, als es elfenhafte Entrücktheit vermocht hätte. Letzten Endes überzeugte vor allem das gute, oft ausgefallene Songwriting. Seit sie mit ihrem Zweitprojekt Becky Becky bewiesen hat, dass sie ausgezeichneten (anzüglichen) Elektropop machen kann, hat sie meine Gunst ernsthaft errungen.

Solche Nebenprojekte, bei denen Musiker sich völlig abseits des eigenen Metiers austoben können, haben häufig die Funktion einer belebenden Frischzellenkur, lenken die Stammprojekte mitunter in neue Bahnen oder ergänzen sie mit neuen Zutaten, bei denen man sich fragt, warum niemand früher darauf kam. In Gemmas Fall führten die Experimente mit kräftigen Elektrosounds zu einer Erweiterung der kompositorischen Vielfalt, die dem Quasi-Konzeptalbum „The Bird School Of Being Human“ eine Frische verleiht, die der bislang noch als Geheimtipp gehandelten Sängerin zum Durchbruch verhelfen könnte.

Hört man Stücke wie „Sparrow“ und „Magpie“ (m.E. zwei der Höhepunkte des Albums) unabhängig vom Rest, so könnte man zu unrecht auf einen krassen Eklektizismus tippen (der mir immer noch lieber wäre, als die Entwicklung der ganzen Alela Dianes und Sarah Junes, die nach dem Abebben des Folkhypes auf gefälligen Pop umgestiegen sind) – hier filigraner Akustiksound im gelösten Walzertakt, grundiert von einem sirenenartigen Hintergrunddröhnen, dort verzerrter Uptempo-Beat und verzweifelter Klagegesang. Beides keineswegs schlicht und trivial, und doch weit voneinander entfernt. Erst das Gesamtbild füllt die klanglichen und atmosphärischen Schattierungen dazwischen, bei denen sich liebliche Harfen, seltsame Bläser und verrauschte rumpelige Drums mit Feldaufnahmen und kernigen Drones die Klinke in die Hand geben, während Gemmas wandlungsfähiges Quietschen über allem thront.

Unter den Feldaufnahmen rangiert auch allerhand Gezwitscher, was den Bogen zum Textlichen schlägt, denn hier tritt in jedem Song eine symbolträchtige Vogelart auf und verwickelt das lyrische Ich in allerhand dramatische Geschichten. Ob das Federvieh dabei wirklich so wichtig ist, oder doch einfach als roter Faden ein bisschen folkiges Kolorit hinein bringt, vermag ich nicht so recht zu entscheiden. Alles in allem geht es in der Bird School turbulent, bisweilen auch recht düster zu. Einige Geschichten hat hoffentlich so nicht das Leben geschrieben, aber insgesamt hätte Eric Rohmer, wäre er Brite, zu dem Stoff einen wunderbaren Episodenfilm machen können. Ein Animationsfilm im Stil des „Sparrow“-Clips würde natürlich besser passen. Empfehlung an alle, die unter folkigen Popsongs keine biederen Schmonzetten verstehen. (U.S.)

Label: Robot Elephant