CUT HANDS: Black Mamba

Als William Bennett erstmals die Bezeichnung „Afro Noise“ ins Spiel brachte, hatte er wahrscheinlich nicht die Absicht, ein neues Genre ins Leben zu rufen, und doch war der Begriff von Beginn an mehr als bloß ein Titel. Afro Noise sollte eine Musik bezeichnen, die Bennett mit seinem Whitehouse-Nachfolgeprojekt Cut Hands vielleicht nicht ohne Vorläufer aus der Taufe gehoben hat, die jedoch in den beiden Bereichen, die dabei schnittmengenartig zusammenkamen, keineswegs zum Tagesgeschehen gehört. Die Überblendung ist einfach zu beschreiben, ging es doch darum, Noise-Musik in der Tradition des schwerpunktmäßig immer noch westlich konnotierten Post-Industrial mit tribalistischen Musikarten Afrikas zu einer Synthese zu führen. Dass es bei der Überarbeitung von sogenannten Ethno-Sounds durch die Strukturen einer eher dystopischen Musik nicht um leicht konsumierbare Exotica gehen soll, versteht sich, auch sollte der naheliegende und hinlänglich bekannte Hybrid „Ritual Industrial“ vermieden werden, gilt Bennetts Interesse doch stets eher weltlichen als spirituellen Fragen. Einfach gesprochen konnte man das Resultat als eine Art Folklore begreifen, deren Sound (und Bildmaterial) sowohl der urtümlichen Archaik als auch den technologischen und sozialen Situationen der Gegenwart Rechnung trägt.

Klischees über Afrika und über indigene Kulturen generell gibt es aber auch jenseits des Kitsches zu Genüge und sind auch dann, wenn man einen harten „realistischen“ Ansatz wählt, kaum zu vermeiden. Selbst beim Fokus auf ein von Abhängigkeiten, Kriegen, Epidemien und ideologische Orientierungskrisen geprägtes Leben einer um Identität und Selbstbestimmung ringenden Bevölkerung, ist es doch stets der Blick des „weißen Mannes“ auf das Leben und die Würde des kulturell Anderen, der ins Werk gesetzt wird, sobald ein solcher Ansatz nicht aus Afrika selbst stammt. Dieser Blick jedoch, seine Projektionen, in denen man je nach Perspektive stets chauvinistische und paternalistische Spuren finden mag und ggf. der Versuch, all dies glaubwürdig zu überwinden, ist ein durchaus dokumentierenswürdiges Thema, das sich ästhetisch vielfältig umsetzen lässt.

Der Forderung in einem Leserbrief im Wire (hier kann man Musik des Verfassers hören), in dem Bennetts Stilbezeichnung als „beleidigend“ empfunden und postuliert wurde, es werde der Eindruck erweckt, es gebe keine schwarzen Musiker, die diese Art Musik spielten, ist mit Bezug auf den oben angesprochenen Blick des weißen Mannes nachvollziehbar, und auch der Verweis auf die Vergangenheit, in der fortwährend schwarze Musik(kultur) von Weißen, wenn schon nicht gestohlen, so doch oftmals kommerziell erfolgreicher umgesetzt wurde, was auch mit dem Rassismus in Radiostationen zu tun hatte, ist nicht falsch. Wenn sie fordert eher afrikanische Noisekünstler zu unterstützen, kann man vielleicht entgegenhalten, dass (gemessen daran, dass Bennett ja nicht einfach Stile nachspielt und dies auch keineswegs mit dem Gestus des Authentischen tut) beides seine Relevanz hat und bei der Gelegenheit auch noch auf diese Compilation verweisen, die allerdings nicht auf die subsaharische Region begrenzt ist. Insgesamt erhielt Cut Hands jedoch eine ausgesprochen positive Resonanz, die sich zum Teil recht eklatant von dem Enfant Terrible-Status seiner früheren, überwiegend subkulturell rezipierten Band unterscheidet – besonders anschaulich wird dies, wenn man die noch vor wenigen Jahren geäußerten Einwände David Toops gegen eine Auszeichnung Whitehouse’ im Kopf hat und mit der Akzeptanz vergleicht, die Bennett mittlerweile im Rahmen zahlreicher öffentlicher und privater Institutionen erhält.

Als Höhepunkt dieser Akzeptanz– und bei einem Künstler, der eine Zusammenstellung einmal „Cream of the Second Coming“ nannte, ist das ein durchaus beabsichtigtes Wortspiel – lässt sich Bennetts Klanginstallation Extralinguistic Sequencing in der Tate Modern nennen. Aus diesem mit Mimsy DeBlois (die für das Artwork und die Linernotes von „Black Mamba“ verantwortlich zeichnet) konzipierten Werk wurde sogar Material für den Opener verwendet, der sich mit seiner Verwendung von Stimme auch etwas von den anderen Stücken abhebt. Auf „Black Mamba“ finden sich ein paar Stücke, die an die fast ausschließlich auf Perkussionsspuren reduzierten, skelettierten, hektischen Tracks des Debüts anknüpfen, so etwa das Titelstück oder „Erzulie D’en Tort“. Aber wie auch schon auf dem Debüt gibt es die (fast) perkussionslosen atmosphärischen Klangflächen: „Krokodilo“ (noch mit behutsamen Rhythmus), „Nzambi Ia Ngonde“ (mit schon fast überraschend sphärischen Elementen) und „El Palo Mayombe“ (das fast zu wenig unheilschwanger klingt). Bezeichnenderweise sind das die Tracks, die auf Soundtracks Verwendung fanden: „Krokodilo“ untermalte Teile einer Doku des Vice-Magazins über Drogenabusus in Sibirien (und jeder wird sich vorstellen können, dass der Titel wenig mit der Echse, sondern vielmehr mit der Droge gleichen Namens zu tun hat), letztere beiden fanden Gebrauch bei „Reincarnated“, einer Dokumentation über Snoop Dogg bzw. Snoop Lion (wie er sich jetzt nennt) in Jamaika.

„No Spare No Soul“ ist vielleicht das einzige Stück des Albums, das die Assoziationen, die durch einen de facto vagen Begriff wie Afro Noise evoziert werden, tatsächlich erfüllt, wird hier doch Perkussion mit atonalen Störgeräuschen kombiniert. Laut Bennetts Blog markiert der Track eine neue (Aus)Richtung. „Kongo“ beginnt mit Perkussion, die wie Schüsse klingt und unweigerlich muss man an das „groteske Vokabular des Kongo“ denken und auch an den Ursprung des Projektnamens. Das schon von der sogenannten „Japan-EP“ bekannte „Brown-Brown“ verknüpft hektische Perkussion mit dunklen Klangflächen, wobei das darauf folgende „54 Needles“ dann aber ein Track ist, der am wenigsten an Noise denken lässt, und wie eine entspannte Untermalung eines Chillout klingt. Das Stück ist fast schon ein bisschen (zu) brav. Als Gegenpol dazu enthält „Nzambi Ia Muini“ wieder (wie „Nzambi Ia Lufua“ auf dem Debüt) hochfrequente Töne und es wird völlig auf Rhythmus verzichtet. Abgeschlossen wird das Album von „Nine-Night“, einem leicht perkussiven Stück.

Nachdem sich das Debüt „Afro Noise“ eher nach und nach aus den im (zumindest vorläufigen) Endstadium befindlichen Whitehouse herausentwickelte, ist das ein Jahr nach dem Erstling erschienene “Black Mamba”  dann auch vielleicht zwangsläufig weniger hektisch und harsch. Das ist rein deskriptiv zu verstehen, denn hier zeigt sich, dass Cut Hands eine noch größere Unabhängigkeit von Bennetts Vorgängerband hat.

M.G./U.S.

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