Wollte man die populäre Musik seit dem Millennium grob schematisch in Phasen einteilen, so könnte man – nach einem leichten Nachhall der 90er in den ersten Jahren – zuerst von einer akustisch dominierten Phase bis ca. 2006 sprechen und von einer eher elektronischen Phase im Anschluss und bis heute. In den ersten Jahren der Nuller war akustisches Gitarrenspiel hip, man durfte wieder ohne viel Ironie die Hippiezeit aufleben lassen, die nicht nur unter Weird Folk ihren postmodernen Wiedergang erlebte, sondern auch in zum Teil recht biederen Singer Songwriter-Schmonzetten. Irgendwann war das ausgiebig vermarktet und wurde zu einem arrivierten Ding unter vielen, und während Spex und Konsorten bisher die interessanteren Vertreter behandelte und betonte, dass sie gut seien, knöpften sie sich fortan die weniger interessanten vor und betonten, wie zweitrangig sie seien. So kann man natürlich plausibel bleiben und sein Fähnchen dennoch nach dem Wind des Weltgeistes drehen. Dieser holte nun – im Anschluss an den gerade pausierenden Electro Clash – die 80er und ihre Elektronik aus der Kiste, Hipster trugen die Haare wieder kurz an den Seiten, seit jeher ein totsicheres Begleitphänomen straighter Technobeats.
Interessant finde ich dabei, wie vorhersehbar Vorzeigegestalten der ersteren Riege nun seit Jahren in unterschiedlicher Überzeugtheit auf zweiteren Zug aufspringen. Ob CocoRosie, Animal Collective oder Woodpecker Wooliams – es ist nichts ehrenrühriges dabei, läuft bloß allzuoft nach dem gleichen Schema ab und und zeigt, dass im hippen 21. Jahrhundert die Fassaden eben etwas variabler sind. Man war ja schon immer viel vielseitiger und nie auf ein Genre festgelegt, heißt es dann. Klar, behauptet auch keiner, und dennoch. Ein Mittelweg ist der Switch von Folk zu einem ebenfalls nicht mehr akustischen Gitarrenpop. Dies geht dann oft mit einer gewissen Bravheit einher, legitim ist es freilich auch. Erst recht keine Schande ist die groovige R’n'B-Single, mit der die spätestens seit ihrem Gastauftritt bei Bonnie ‘Prince’ Billy allseits bekannte Emma Louise „Scout“ Niblett gerade ihre Fans beglückt.
Über die musikalische Stoßrichtung des anstehenden Albums gibt es kaum Infos, aber die vorliegende Vorab-7” ist mit ihren zwei Coverversionen vermutlich ein Ding außer der Reihe. Die Britin interpretiert hier zwei Klassiker der Black Music, das Thema: Die Braut sagt nein. „Nasty“ ist im Original von Janet Jackson und war wohl ursprünglich für einen Tribute-Sampler gedacht. Nicht ohne Showeffekt schreit Scout in den selbstbewussten Worten von Madam Janet gegen machohafte Anmache an und verleiht dem etwas angestaubten Song durch die zurückgenommene Klangfülle und die unstylische Produktion eine rustikale Runderneuerung. Willkommen im Jetzt, die bösen Jungs wollen es immer noch wissen. Und die kriegen zu hören, dass nur ein guter Groove nasty sein darf. In „No Scrubs“, ursprünglich vom R’n'B-Trio TLC und hier noch spartanischer arrangiert, geht es weniger dem coolen Macker, sondern dem schmierigen Aufschneider an der Kragen, der sich am Ende als blasser Wicht entpuppt. Du nie, keine Chance. Ob das nun emanzipiert ist oder ein eleganter Fußtritt in Richtung the weak and frail – wahrscheinlich hat sich da niemand etwas bei gedacht, aber Zufallsambivalenzen sind ohnehin oft die interessantesten.
All meinem Genörgel über Vorhersehbares zum Trotz bin ich kein Feind von Annäherungen europäisch geprägter Musik in Richtung Black Beatz. Klar kann dabei auch einiges schieflaufen. Hiphop, Soul und R’n'B sind zweischneidige Schwerter, von denen man sich einiges abkucken kann, aber am Ende sollte man souverän entscheiden, wie weit man sich darauf einlässt – Konsum ist dort kein Tabu, weshalb man es aber auch nicht scheinheilig umgehen kann. Oft endet es leider im Ramsch. Der Musiker gilt dort viel weniger als Auteur, weshalb man ihm Pseudo-Individualismus kaum vorwerfen kann. Die damit einhergehende Professionalität öffnet jedoch Tür und Tor für die schlimmsten Exzesse der Casting-Scheiße. Doch aller Massenorientierung zum Trotz findet sich dort mitunter mehr musikalisches Können als bei so manchem, was sich Indie schimpft.
Schout Niblett zeigt, wie man es richtig macht, denn ihre Aneignung verbiegt weder die Originale, noch ihren eigenen Stil. Transposition statt Abkupferei, man darf gespannt sein, ob das auch auf ihrem Album Platz haben wird. (U.S.)
Label: Drag City