Er ist sicher einer der aktivsten Vertreter der alten Melbourner Blues Punk-Riege: Hugo Race, der nach einer kurzen Bad Seeds-Zeit solo und mit diversen Bands aktiv war und über mehr als dreißig Jahre kaum längere Ruhepausen nötig hatte. Der stets die Grenzen der ihn formenden Kultur erweiterte und notfalls auch durchbrach – vom bluesigen Gitarrenrock Australiens zu den Tuareg in Mali, zu seinen indigenen Landsleuten, zu alten Protestsongs und zur Hippiekultur, die man in den kühlen, fatalistischen 80ern so hasste.
Womit das entscheidende Stichwort zum Stand der Dinge gefallen ist: Die Fatalists, Race’ derzeitige Kollaborateure, entlehnten den Namen einem seiner früheren Albumtitel und bestehen primär aus Antonio Gramentieri und Diego Sapignoli, die ansonsten unter dem Namen Sacri Cuori soliden Gitarrenambient spielen. Was hier mit Unterstützung weiterer Gäste auf die Beine gestellt wurde, ist ein erdiges, primär akustisches Songalbum, das in seinem ungeschliffenen Wohlklang nicht nur an klassische True Spirit-Werke anknüpft, sondern auch einiges in den Schatten stellt, was seit Jahren als Americana vermarktet wird und in den Fußstapfen des Man in Black herumgeistert. Man könnte glatt denken, versehentlich ein Sacri Cuori-Album aufgelegt zu haben, wenn man unverhofft in das sakrale Dröhnen eintaucht, das einen zu Beginn mit dem verwunschenen Klang eines Glockenspiels umfängt. Oder man denkt an die schon länger angekündigte Zusammenarbeit mit Pantaleimon. Doch die schlichte Zupfgitarre und die tieftönende Gesangsmelodie demonstrieren schnell, dass hier mit weit weniger abstrakten Mitteln gearbeitet wird. Mit wenigen Kunstgriffen und frei von Opulenz wird eine rustikale Szenerie entworfen, die mit der rumpeligen Perkussion und den urtümlichen Rasseln schnell ins Klischee kippen könnte, erst recht, wenn Geigensoli für Ornamente sorgen. Folksongs mit einem Touch von Country und Blues vertragen sich nicht wirklich mit Schmalz, auch allzu verwegene Gesten, möglichst ironiefrei vorgebracht, würden dabei schnell angestrengt wirken. Race und seine Fatalisten setzen dem eine Unaufdringlichkeit entgegen, die stets genügend Markanz aufweist, um nicht introvertiert zu wirken – von den Jüngeren weiß dies noch als erster Wooden Wand zu beherzigen.
Es zieht sich durch das ganze Album, das Rustikale, Ungeschliffene, auch die souveräne Genügsamkeit, die man so schwer an einem bestimmten musikalischen Merkmal festmachen kann: durch bluesigen Darkfolk, durch gelöste Popsongs, durch wenige Uptempo-Nummern mit elektronischem Takt bis hin zum rauen Titeltrack, der auch ohne elektrische Gitarre ein kratziger Rocksong ist. Nicht nur in ihm finden sich Momente, die sich offenkundig aus den 60ern auf das Album geschlichen haben. Retro? Ja, aber bei solcher Musik gehört das dazu und muss nicht betont werden, auch nicht bei den Lyrics, die sich bereitwillig aus der Phrasenkiste der Rockballadenkunst bedienen: verwegen, melancholisch, fatalistisch, doch ohne je in platte Resignation zu kippen. Das melancholische Artwork, dass offen gesagt etwas an die Postermode in Mädchenzimmern der 90er erinnert, legt da eher eine falsche Fährte.
Irgendwie steht der etwas hartnäckige Winter dieses Jahr auch im Zeichen eines kleinen Australien-Revivals, Nick Cave ist in aller Munde, Crime and the City Solution feiern ihr Comeback und Mick Harvey wird in Kürze neue Aufnahmen herausbringen. „We Never had Control“ ist ein fantastisches Album und sollte im Zuge dessen an vorderster Front genannt werden.
Label: Gustaff Records