JAMES BLACKSHAW AND LUBOMYR MELNYK: The Watchers

Als James Blackshaw und der Pianist Lubomyr Melnyk sich vor Jahren auf einem Festival kennenlernten, war die Begegnung für keinen der beiden unbedeutend. Blackshaw betrachtete den Pionier der auf schier endlosen, enorm schnellen Tonfolgen basierenden „Continuous Music“ als eine zentrale Einflussquelle, Melnyk wiederum bezeichnete den jüngeren Kollegen nach dessen Konzert als sein Pendant auf der Gitarre. Spontan entstand der Plan zu einer kreativen Zusammenarbeit, die sich dann aus Zeitgründen erst im letzten Jahr in einer Londoner Jazzlocation realisieren ließ. Sechs Stunden Zeit nahmen sich beide, um auf ihren Instrumenten zu improvisieren, Klavier und Zwölfsaitige traten in einen Dialog, der sich mehr und mehr verselbständigte, bis vier Stücke mittlerer Länge aus den Akkordfolgen, Melodieansätzen und dezenten Brüchen entstanden. Ob die astrologische Titelgebung – die vier Wächter- oder Königssterne Tschenter, Venat, Sateis und Haftorang stammen aus der persischen Mythologie und verweisen auf die Himmelsrichtungen und Jahreszeiten – ebenfalls erst später gewählt wurde, bleibt Spekulation.

Da mir das Werk des in Kanada lebenden Melnyk nicht bekannt war, kann ich die Frage, welcher der beiden Musiker auf „The Watchers“ stärker präsent ist, nur unzureichend beantworten, allerdings hätte ich beim Hören mit verbundenen Augen sofort Blackshaw herausgehört und vermutlich erst nach einiger Zeit überlegt, ob es sich dabei um eine Kollaboration außer der Reihe handeln könnte. Das gewollt unakkurate und immer leicht versponnen wirkende Spiel des Briten, das meist etwas improvisierter wirkt als es ist, knüpft an den Faden seiner früheren Arbeiten an. Wieder, am stärksten vielleicht beim einleitenden „Taschenter“, entstehen in gewissen Abständen kratzige Droneeffekte, die der genügsamen, bisweilen traumartigen Stimmung nur scheinbare Dissonanzen entgegenhalten, mit der Zeit allerdings für ein Klangvolumen sorgen, das einen die Fata Morgana einer Band mit Streichern u.a. imaginieren lässt. Blackshaw Gitarre nimmt quantitativ den größten Raum ein, bildet mit seinen repetitiven Mustern Rahmen und Hintergrund. Auf dieser Grundlage setzt Melnyks Piano präzise Akzente, markiert einzelne Punkte von starker Deutlichkeit.

Bei „Venat“, das einige der dynamischsten Momente bereithält, steuert Blackshaw einen einlullenden, aber zugleich auch den beweglichsten und wandelbarsten Teil bei, während das Piano mit seiner zurückhaltenden Markanz eine Art Ruhepol darstellt. Darüber hinaus bringt es über die einfachen, in Ansätzen romantischen Melodien ein „songhaftes“ Moment ein, das jeder Abstraktheit entgegen wirkt. Dieses Spannungsgefüge bleibt unlösbar, auch im meditativen Charakter von „Sateis“ und im finalen „Haftorang“, das vielleicht aufgrund seiner weniger dynamischen Tonfolgen einen eher dunklen Ausklang bildet, fusionieren die beiden instrumentalen Stränge nie ganz. Dies hat seinen Reiz und muss dem Album keineswegs, wie an anderer Stelle etwas besserwisserisch an den Haaren herbeigezogen, als Nachteil angekreidet werden.

Label: Important Records