THESE NEW PURITANS: Fields of Reeds

Puritanisch waren These New Puritans nie, ganz gleich, ob man darunter Stilpurismus oder unterkühlte Reduktion versteht. In der Folge ihrer zweiten Platte „Hidden“ galten die vier Engländer eine zeitlang als die Shootingstars des – ja, des was eigentlich? Dass gerade die gute alte Punk’n'Wave-Zeit wieder hochleben durfte kam ihnen gerade recht, auch wenn sie von den gängigen Stereotypen weit entfernt waren. Neoklassiche Elemente sind im Pop immer mal angesagt, nur die Art und Weise ändert sich stetig, und auch in der Hinsicht war das Quartett um die Barnett-Brüder keines Geistes Kind und passte umso besser auf die nicht festgelegte Agenda kurz vor dem Startschuss für Chill Wave und Co, von deren Anhängerschaft sie ebenfalls gebührend wahrgenommen wurden. These New Puritans sind in vieler Hinsicht eine singuläre Erscheinung und kaum Bestandteil von etwas größerem, auch die Teilnahme am Geburtstagsfestival des umtriebigen David Tibet, wozu anschließend kaum mehr ein Wort verloren wurde, wirkte irgendwie konstruiert.

Auch von der Klangfülle her passen TNP viel eher in die opulente Welt marmorner Konzertsäle als in jede calvinistische Bretterbude. Wer mit der etwas schöngeistigeren Seite der Minimal Music klar kommt (also eher Glass und Nymen als Reich und Young) und zugleich auf gestylte Elektronik mit Raum für Poesie steht, war bei den Puritans an der richtigen Adresse. Auf „Fields of Reeds“ erkennt man sie vielleicht nicht sofort, mit der Zeit jedoch stellt sich umso mehr heraus, dass all die bekannten Elemente erhalten geblieben sind. Alles wurde nur neu durchmischt, und vieles ist subtiler. Die orchestrale Wucht des Vorgängers ist einem kammermusikalischen Klangbild gewichen, der elektronische Bombast überlässt das Feld über weite Strecken dem Klavier. Setzen die Drums ein, meint man hier und da dem Auftakt eines grundanständigen Indie-Songs bezuwohnen. Sowohl die wuchtigeren, als auch die schrägen Elemente werden punktuell eingesetzt und akzentuieren besondere Momente, dabei wirken Bläsereinsätze, primär vertreten durch den neuen Trompeter Henry Lauder, fast wie entspannte Lounge-Beigaben. Stellenweise musste ich sogar an Campbell Finleys Beitrag zu Death in June denken. Elektronik hat diesmal primär die Funktion des Verfremdens und Konterkarierens, gerne wird mit der Stimme gespielt, was bisweilen irritieren kann. Ist der Gesang merkwürdig gedoppelt, oder bildet er eher eine Dissonanz mit anderen Sounds? Man wird sich vielleicht nicht einig, denn der Song ist in steter Bewegung und längst ganz woanders.

Auch entgrenzte, turbulente Augenblicke haben Raum, oft bilden sie die Höhepunkte der Stücke, die sukzessive angesteuert werden. Dies kann in Form der wenigen Noisemomente geschehen oder durch furioses Hämmern auf die Klaviertasten. Neben dem Trompeter ist Sängerin Elisa Rodrigues als weiterer Neuzugang zu verzeichnen. Ihre ursprüngliche Heimat ist der portugiesische Fado und klassischer Jazzgesang, was sich im Gesamtbild als interessanter, warm klingender Kontrapunkt erweist, auch wenn ihre Stimme meist die hinteren Bereiche ausfüllt. Hauptvocalist ist nach wie vor Jack Barnett, der diesemal anscheinend eine Art müdes Nuscheln als Stilmittel des Intimen entdeckt hat. Das mag in geringer Dosierung ganz gut funktionieren, und irgendwelche Thom Yorke- oder Rufus Wainwright-Vergleiche sollte man sich verbitten. Aber ein bisschen nervt es auf Dauer schon.

These New Puritans spielen 2013 Musik für’s Wohnzimmer, oder besser: für’s lufitig-loftige Appartment, eingerichtet mit einem kunstvoll minimalistischen Mobiliar, auf dem man es sich aber auch bequem machen kann, denn von frostigem Puritanismus kann keine Rede sein. In vielerlei Hinsicht sind sie sich aber auch sehr treu geblieben – aufgeräumt, spontan und vielseitig wie immer, auch so verliebt in die Repetition wie eh und je.

Label: PIAS