LITTER: Newfound Grids

Freilich, es gibt immer wieder Debütalben, die einen ausgesprochen reifen Eindruck hinterlassen, und beim heutigen Stand der Aufnahme- und Produktionstechnik lässt sich Musik auch ohne viel Erfahrung gut frisieren und klanglich ausdifferenzieren. Ab und an klingt so etwas dann nicht einmal leer und seelenlos. „Newfound Grids“ dagegen, der Erstling der Künstlerin Elyse Tabet, hinterlässt den Eindruck, auf guter Vorarbeit aufzubauen. Das mag damit zu tun haben, dass die unter dem Pseudonym Litter zeichnende Musikerin schon seit Jahren im Metier Videokunst aktiv ist und dort Erfahrungen im Umgang mit Technologie, Ästhetik und nicht zuletzt auch Sound sammeln konnte. Diverse Gastmusiker haben ihren Teil beigetragen.

„Newfound Grids“ ist ein kompaktes, ambientes Electronica-Album, dessen introvertierte Grundhaltung keineswegs vielfältigen Variationen im Weg steht. So hat schon das eröffnende „Light You Cast“ einen unverkennbar „orientalischen“ Beiklang. Die modern klingenden Aufnahmen haben so nicht nur einen zeitliches, sondern auch ein räumliches Setting, in dem man gerne den Entstehungsort der CD, Tabets Heimatstadt Beirut identifizieren darf. Dass das Ganze von jedem liebliche Exotismus weit entfernt ist (von dem auch elektronische Musik nicht gefeit ist, und trotz der medial präsenten Kehrseite wird der Libanon gerne auch als „Schweiz des Nahen Ostens“ romantisch besetzt), dankt sich der subtilen Doppelbödigkeit der flächigen Komposition, die schon zu Beginn den Eindruck erweckt, dass sich etwas Ungreifbares, eventuell Unheilvolles anbahnt. Ob der Ort buchstäblich oder oder im Sinne eines fiktiven Schauplatzes gemeint ist, erscheint sekundär angesichts der starken Intensität, die er im Laufe des Albums gewinnt, und die visuell-narrative Assoziationskraft dankt sich vermutlich auch der filmischen Arbeit Tabets. Stets schwebt ein Hauch von Unbehagen über dem Szenario, Titel wie „Land of Half-Truth“ und „Hanging by a String“ implizieren in all ihrer Ambiguität, dass es sich kaum um Spielerei handelt, ebenso das Rasseln und Klappern im düsteren „Helicopters over Motorcity“. Verspielter, doch nicht weniger schräg, klingen Stücke wie „Trial Park“ und das auf plastischen Feldaufnahmen basierende „Homecoming“. Hier und da verlieren sich solche Stücke – deren Titel gewiss nicht zufällig wieder auf Orte bezogen sind – in der panoramaartigen Schau zahlloser Klangobjekte, doch der eingängige Charakter des Albums wird niemals vollkommen suspendiert und kommt am besten in den eher rhythmusbetonten Momenten zum Zug. Die haben dann so unterschiedliches wie paganen Techno („Pan’s Monologue“) und Schlenker in Richtung Dub („Hummingbird“) zu bieten.

Litter sollte auch in Zukunft zweigleisig fahren und keinen ihrer beiden favourisierten Sinneskanäle schonen, gerade weil sich beides immer wieder gegenseitig herausfordern und inspirieren kann, von den vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten ganz zu schweigen. Auftritte in unseren Breiten wären wünschenswert, vielleicht zusammen mit MimiCof oder einigen Exponenten des Kompakt-Labels. (U.S.)

Label: Syrphe