P.O.P.: Täbriz

Beim Ausblenden der visuellen Gestaltung mag es überraschen, dass das Duo P.O.P. sein aktuelles Album nach der nordiranischen Metropole Täbriz benannt hat. Reinhold Friedl und Hannes Strobl sind weder Perser, noch Aserbaidschaner oder Angehörige einer der anderen Bevölkerungsgruppen dieser Region, auch gibt es keine Informationen über Aufenthalte in der Stadt. Auch in musikalischer Hinsicht scheint es keine Verweise auf die dortige Tradition zu geben. Man kommt der Sache schon näher, wenn man erfährt, dass Tabriz (verschiedene Schreib- und Sprechweisen sind üblich) ein Zentrum der iranischen Teppichproduktion ist und auf eine reichhaltige Tradition dieses Kunsthandwerks zurückblickt. Den Fotos und Liner Notes nach scheint „Täbriz“ eine Hommage an die persische Teppichknüpferei zu sein, mehr noch (und etwas abstrakter) huldigt das Werk der Kunst des Kombinierens immergleicher Elemente in zahllosen Variationen. Und dies ist genau genommen schon die kürzest mögliche Beschreibung der Musik.

Ich weiß nicht viel über den Entstehungsprozess des Albums, nur dass er sich über einen Zeitraum von rund fünf Jahren hingezogen haben muss, aber improvisiert wirken die vielfältigen Muster, die mittels der Komponenten Bass, Piano, Saxophon und einiger Elektrosounds gewoben wurden, bestenfalls in Details. Was die große Struktur betrifft, eignen sich die drei Kompositionen fast als Anschauungsstücke für die Frage, was man mit repetitiven Mustern alles machen kann, um eine Klangwelt zu krieieren, die keineswegs monoton und minimalistisch ist. Jeder Akord, jedes rhythmische Element oder inhaltliche Motiv verändert zwangsläugig seine Gestalt je nachdem, mit welchen zusätzlichen Elementen es ergänzend oder kontrastierend zusammengebracht wird. Dies ist freilich ein primär wirkungsästhetisches Phänomen, ein Effekt, der sich z.T. mittels akustischer Täuschungen in der Wahrnehmung des Rezipienten ereignet – ein Aspekt, der von einer Band, deren Initialen für Psychology of Perception stehen, sicher bewusst einkalkuliert worden ist. Im Titelstück bestehen diese kontrastierenden Elemente aus einer Menge an dröhnenden, klingelnden und rasselnden Sounds, die eventuell dem Inneren eines Klaviers entlockt worden sind und die Bassspur zeitweise wie unter einer Lawine aus Metallteilen begräbt. Doch P.O.P. arbeiten nicht nur mit Kontrastierungen, sie dynamisieren ihre Klänge auch in ihrer realen Form, lassen Wiederholungsfiguren subtil in Variationen übergehen, arbeiten mit Effekten von Zeit und Lautstärke. Jede der drei Kompositionen ist einer bestimmten Tradition der Teppichknüpferei gewindmet, deren Muster sich – ähnlich den drei Stücken – farblich, motivisch sowie im Hinblick auf Dichte und andere Fragen der Ornamentik unterscheiden.

Einem hochwertigen Perserteppich sieht man die enorme, zum Teil monotone Kleinarbeit nicht an. Er kann verspielt wirken, kann dazu einladen, den narrativen Momenten zu folgen und seine Fantasie spielen zu lassen, auch vermag er durch die tendenzielle Symmetrie seiner Gestaltung den Eindruck einer stabilen, in sich geschlossenen Welt suggerieren. Dass „Täbriz“ auch dem entspricht und keineswegs wie ein verkopftes Experiment anmutet, spricht für ein gelungenes Konzept.

Label: Monotype Records