MUNMA: No Apologies

Da die Neigung, Unterschiede als Gegensätze wahrzunehmen, recht verbreitet ist, klafft auch zwischen den Welten der „elektronischen“ und der „experimentellen“ Musik ein Abgrund, der weniger über die Musik aussagt, als über einen Großteil ihre Hörer. „No Apologies“ von dem hierzulande noch mysteriösen Geheimtipp Munma ist eine Platte, die in Gazetten wie De:Bug passt und in Locations gespielt wird, in die sich der Staalplaat-Hörer und A-Musik-Kunde in der Regel nicht verläuft. Was schade ist, denn die dunklen Kollagen des Bastlers aus Beirut dürften genreübergreifend Gefallen finden, vorausgesetzt, man braucht es nicht allzu eingängig und hat grundsätzlich eine Schwäche für Frickeleien.

Es braucht anfangs eine ganze Weile, bis man peilt, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Nicht, dass Jawad Nawfal, die Person hinter Munma, einen bei der Suche nach dem roten Faden völlig im Regen stehen ließe, doch er lässt sich zunächst Zeit und tastet sich ausgiebig durch eine Vielzahl musikalischer Gefilde. In „Early Early Moring“, das tatsächlich etwas von einer frühmorgendlichen Orientierungsphase hat, lässt er frickelige Sounds und verhallte Keyboardflächen noch recht unvermittelt aufeinander treffen, konsequentes Fiepen und Pochen sorgt dafür, dass die divergierenden Rhythmen, die miteinander um die Vorherrschaft ringen, nichts von ihrem herausfordernden Charakter verlieren und der unheilvolle Beiklang, der das Album von ersten bis zum letzten Ton an prägt, beibehalten wird. Im weiteren Verlauf gewinnen die Stücke mehr und mehr an Form, doch nie geraten Rhythmen und Sounds derart kohärent, dass Tanzbares dabei herauskäme. Ambient, wie beim befreundeten Projekt Litter, mit dem ein steter Austausch stattfindet, wird allenfalls angedeutet, wie beim ethnolastigen „Land of Debris“, das auch ohne den Titel weit entfert ist von jeder beschaulichen Weltmusik. Die meisten Stücke haben von Klang her einen düsteren Grundton, wobei die vielen kleinteiligen Sounds allerdings jeder Schwere entgegenwirken. Die können dann auch mal auffallend akustisch ausfallen wie bei „Eastern Promises“ (eine Referenz an David Cronenberg?), oder mit allerlei levantinischem Metropolenflair aufwarten wie im hörspielartigen „The Funeral“, das zu den Höhepunkten des Albums zählt.

Aus dem Rahmen fallen das vokallastige „Yoga Revisited“, bei dem Rapper Mazen El Sayed seine Künste in einem französisch durchdrungenen Arabisch beisteuert, sowie eine Reihe an Remixen, von denen vor allem Kirdecs harte Synthiebearbetung von „The Funeral“ heraussticht. Beiruts Ruf, in den unterschiedlichsten (Sub-)Kulturen mit westlichen Standards mithalten zu können, ohne die oft beklagte Saturiertheit aufzuweisen, ist nicht neu, doch wenn man die hier beteiligten Musiker recherchiert, erhärtet sich der Verdacht, dass er nicht zu Unrecht existiert. „No Apologies“ würde sich zum Einstieg eignen, gleichwohl es auch ohne diesen Hintergrund überzeugt.

A. Kaudaht

Label: Syrphe