DONATO EPIRO: Fiume Nero

Ein Debüt ist „Fiume Nero“ nur im allerformalsten Sinne, denn Donato Epiro ist im italienischen Underground kein Unbekannter und auch Leser unserer Seiten sollten den Namen kennen. Er ist Teil des Duos Cannibal Movie, das mit Orgel und Schlagwerk die Geister alter Exploitation-Filme beschwört und zugleich auf die Frage, was ein etwas abgegriffener Begriff wie Psychedelic heute noch bedeuten kann, ein paar interessante, düstere Antworten zur Hand hat. Solo ist Epiro weitaus elektronischer unterwegs und offenbart ein Interesse an harten, entgrenzten Ritualklängen. Einiges davon erscheint seit Jahren im Eigenvertrieb auf diversen Tapes und digitalen Medien, sowie auf der Musikbeilage des letzten Occulto-Heftes. Eine Auswahl dessen erscheint hier nun erstmals auf Vinyl.

„Fiume Nero“, der schwarze Fluss, beginnt mit einem Donner, wie ein Film ohne Vorspann oder ein Drama ohne Exposition, und doch liegen die wichtigsten Bestandteile gleich offen auf dem Tisch. Beschwörende Rhythmen, Hypnotisches, das sich ebenso sehr den geheimnisvollen, asiatischen Flötenklängen schuldet und nicht zuletzt raue, noisige Verzerrtheiten. Dieses an keiner Stelle zusammengeklatscht wirkende Grundmuster lässt eine immer wache, ekstatische und streckenweise fast reißerische Ritualstimmung entstehen, die von vielfarbigen Klängen zehrt. Ihr Ursprung liegt in der Vielzahl der bearbeiteten Objekte, die sich in Größe, Material und Beschaffenheit unterscheiden. Holz und Metall, Rasseln und Pochen bilden zusammen immer neue Muster. An Crash Worship mag man in den derberen Passagen denken, an Muslimgauze, sobald es etwas entspannter zugeht, und insgesamt sind dies Strukturen, die auch hinter den süßlicheren Rauchschwaden der Cannibal Movie-Stücke erkennbar sind. Von diesem Ausgangspunkt aus entstehen Variationen aller Art, doch die teils afrikanisch, teils asiatisch anmutende Perkussion bleibt beinahe allgegenwärtig, auch dann, wenn sich ihre Struktur zeitweise fragmentiert und eher tastenden Bewegungen nachgeht. Das gilt für die orchestralen Momente – wo man die Welt und das hintergründige Pochen dem Titel „La vita aquatica“ entsprechend wie unter Wassen wahrnimmt – ebenso wie für die rauen Harshdrones („Alocasia“, „Estuario“), die dem oberflächlichen Herumzapper wie heilloses Durcheinander erscheinen müssen, in Wirklichkeit jedoch ein Händchen für feinsinnige Kompositionen offenbaren.

Epiro sprach in unserem Interview von zahlreichen Inspirationsquellen v.a. aus der italienischen Musikgeschichte, und auch das Label nennt Namen, die meist ein paar Jahrzehnte alt sind, und natürlich fallen einem weitere Bezüge ein, Begriffe wie Psychedelic, Drone, Ritual, Industrial. Nichts davon würde sich als Schablone für seine Musik eignen, schon weil der ritualistische Aspekt hier in äußerst sanguinischer Form auftritt und Meilen entfernt ist von der immergleichen bräsigen Saturiertheit, mit der in den 90ern steckengebliebene Schwarzkittel solche Klänge heute konnotieren. (U.S.)

Label: Black Moss