THE GREAT PARK: Kitchen

Obwohl Stephen Burch und seine wechselnden Mitstreiter eine gut erkennbare musikalische Handschrift haben, ist The Great Park auch eine Band, die man sich über die Songtexte erschließen kann. Dass Burch dunkle, vom Fatum erzählende Geschichten in schöne Melodien packt, dass selbst die morbidesten Abgründe sich bei ihm gerne in anheimelden Szenarien ereignen, ist oft hervorgehoben worden, ebenso die biografische Färbung seiner meist in der Ich-Form verfassten Songs. Burch ist aber auch ein leidenschaftlicher Symbolist, und selten wurde sein Interesse an Orten, an Räumen und Straßen und allem, was man dort vorfindet deutlicher als auf den Album „Kitchen“, das neben der CDr-Version erstmals auch in Form von hundert Vinylscheiben vorliegt.

Wollte man an „Kitchen” etwas Wesentliches hervorheben, dann wäre es die merkliche Reduktion auf basale Grundmotive früherer The Great Park-Alben, denn die meisten Songs verzichten diesmal auf Spektakuläres. Die dunklen, beklemmenden Ereignisse, die in Songs wie „The Burning of Two“ fast filmreif inszeniert wurden und in einem Stück wie „The Dogs“ in expressiver Anschaulichkeit passierten – das einleitende „Exeter“ beginnt fast wie ein introvertiertes Echo solcher Momente, denn das Unheimliche entspringt hier mehr denn je dem Kleinen, Alltäglichen, das sich, begleitet von beschaulichen Gitarren, erst nach und nach zum surrealen Bild zweier Kinder im Dornenkleid zusammenfügt.

The Great Park wäre sicher um einiges langweiliger, wäre Burch ein reiner Schwarzmaler, doch das kann man ihm trotz all der lyrischen Drastik nicht vorwerfen. Ist es wirklich nur die Musik – das lockere Strumming, die helle Stimme, das heimeligen Geigenparts – die in „Whistle“ auch eine verschüchterte Hoffnung anklingen lässt, zwischen all den – erneut – verbrannten Büchern, deren Seiten ohnehin nur Laub waren? Und kündet „She Cuts your Sails“ nicht auch von versteckten Möglichkeiten, wenn es angesichts des „waiste we all know“ das Weglaufen ebenso besingt wie die Unmöglichkeit des Entrinnens? “We love to get lost an we love to get found” hies es bereits an anderer Stelle. Jedenfalls folgt nach jeder noch so sarkastischen Anekdote früher oder später auch das Loslassen, und sei es nur in der besinnlichen Ruhe in „The Rain is a Kind Kind of Love“.

Musikalisch ist „Kitchen“ lupenreiner Great Park – sanftes Picking, fetziges Geschrammel, Cello, Geige, doch diesmal ohne reißerischen Kracher, sondern mit Songs, die behutsam entdeckt werden wollen. Als weitere Neuerung hat sich fast unbemerkt ein repetitives Folkelement eingeschlichen, am deutlichsten in „When the Rain comes“, das mich nicht als erster GP-Song an den Sinnerman aus dem berühmten Spiritual erinnert hat. (U.S.)

Label: Genosse Vinyl/Woodland Recordings