HOLGER CZUKAY: Der Osten Ist Rot_Rome Remains Rome

Seit einem knappen Jahr widmet sich Groenland Records der löblichen Aufgabe, wesentliche Teile des Werks von Holger Czukay wieder zugänglich zu machen, und so erschienen letzten Herbst die Wiederveröffentlichungen des Albums “On the Way to the Peak of Normal” und des einmaligen Projektes Les Vampyrettes. Dass seine klassischen LPs “Der Osten ist rot” und “Rome Remains Rome” im Zuge dessen nicht komplett neu aufgelegt werden, ist sicher dem Bekanntheitsgrad des Materials und somit dem weniger großen Nachholbedarf geschuldet.

Auf den beiden 10”-Scheiben findes sich lediglich eine Auswahl der ursprünglichen Albumtracks, die allerdings durch drei aktuelle Remixe aus Czukays eigener Hand ergänzt worden ist. Diese Neuinterpretationen bilden auch gleich den Auftakt des Releases, und wenn die Versionen von “Music in the Air”, “Sudetenland” und “Der Osten ist Rot” eines teilen, dann den noch offenkundigeren Kollagencharakter der Stücke. Der markante Titelsong ist dabei recht einfach und unverquast gestaltet – der Osten ist rot wie die aufgehende Sonne und die kommunistische Heilslehre, so rot wie eine Quelle der Kraft, vor der man sich gleichsam fürchtet. Bei den anderen Mixes sieht man sich einem mosaikartigen Klänge- und Stimmengewirr gegenüber, das auf Dramatik setzt und nur gelegentlich der Harmonisierung Raum gibt. Der slawische Frauenchor in “Sudetenland” unterstreicht den biografischen Tenor, der, wenngleich oft latent, an vielen Stellen von Czukays Werk zur Sprache kommt.

Der in seinen urspünglichen Formen belassene Rest ist gröber und kantiger. Wer die Originale zum ersten mal hört, lernt hier eine große Bandbreite an Komponenten kennen, die nicht zuletzt auch dem Zusammenspiel mit einer Gruppe an Kollaborateuren geschuldet ist: CAN-Kollege Jaki Liebezeit, Dub-Waver Jah Wobble (u.a. P.I.L.) sowie diverse Stimmen bringen eine krude Mischung an sakralen, jazzrockigen, cabaretartigen und nicht zuletzt new-wavigen Elementen zustande, die nicht nur überraschend stimmig ist, sondern den in gerade in Deutschland so interessanten Übergang von den krautigen 70ern zu den NDW-geprägten frühen 80ern illustriert.

Schade dennoch, dass nicht beide Alben komplett neuveröffentlicht worden sind. Alles in allem also eine interessante Einführung in eine der wichtigen Werk- und Umbruchsphasen des Musikers.

A. Kaudaht

Label: Groenland