RUDOLF EB.ER: Brainnectar

Rudolf Eb.er, den man auch unter dem Konzeptnamen Runzelstirn & Gurgelstøck kennt, versteht seine Arbeiten, die Musik, Performatives und Visuelles umspannen, als schamanistische Rituale, die durch reinigende psycho-physische Grenzerfahrungen die am meisten einengende psychische Zwangsjacke – das Ego – entkräften und im Idealfall überwinden sollen. Dabei agiert der in Japan lebende Künstler mit irritierenden, für sensible Gemüter schockierenden Motiven, die durchaus eine selektierende Wirkung erzielen können – nur wer wirklich bereit ist für eine undistanzierte Konfrontation mit Tod, Abjekt und psychischen Ausnahmezuständen, lässt sich auf sein Werk ein, Gelegenheitshörer, die man auch mit launigen Titeln wie “Morx & Kotschlag” nicht besänftigen kann, machen auf dem Absatz kehrt.

Man muss sicher nicht näher informiert sein über die aus dem Tantrismus stammende Idee psychischer Energie, die sich im Gehirn in Nektar verwandelt und durch ihr Tropfen Geist und Körper transformiert, um von der nach diesem Konzept benannten 2CD „Brainnectar“ aufgewühlt zu sein. Die zwei Hauptkanäle, Musik und Sprache mittels Titelgebung, arbeiten mit einem repetitiv angeordneten Mosaik aus wiederkehrenden Grundmotiven, aus denen die Leere, der Tod, die Dekomposition und die Farbe schwarz ebenso herausstechen wie summende Insekten, zwitschernde Vögel und das Knistern brennender Zweige. Das Verbrennen des Egos, das emsige Aufsammeln von Nektar, das ständige Aufblähen von etwas Unförmigen, das die dynamische Struktur vieler Stücke bestimmt – bei all dem entsprechen sich Wort und Klang.

Dem rituellen Konzept entsprechend setzt Eb.er auf Dramatik. Zu den entgrenzten Höhepunkten von „Brainnectar“ zählen nicht nur die plötzlich ins Summen, Knistern und Gluckern hereinbrechenden Noisegewitter, sondern v.a. die Stimmbeiträge von Vokalistin Junko Hiroshige (Hijokaidan), die das ekstatische Mittel schlechthin einbringt: den völlig entfesselten Schrei in allen Formen und Variationen, wütend, wahnsinnig, schluchzend und dabei von allerhand kleinen Dopplungen umschwirrt.

Wie würde man wohl die Wirkung einer solchen Musik beschreiben, nachdem die angestrebte Bewusstseinserweiterung stattgefunden hat? Vielleicht wäre eine sprachliche Darstellung des Effektes dann nicht mehr relevant, im Extremfall sogar nicht einmal mehr möglich. Nach dem ersten Hördurchgang bleibt mir nur die Festellung, dass „Brainnectar“ eine sehr intensive und sicher noch lange nachwirkende Erfahrung bereithält.

Label: Schimpfluch Associates