ZOLA JESUS: Taiga

Dumpfer, shoegaziger DIY-Sound als Fundament für die klagende Stimme einer klassisch geschulten Sängerin – die Zeiten, als man Zola Jesus noch über diesen reizvollen Kontrast definieren konnte, gehören längst der Vergangenheit an, und Nika Roza Danilova macht nicht den Eindruck, als wollte sie sich in absehbarer Zeit auf ihre musikalischen Anfänge besinnen. Vielmehr wirkt Zola Jesus wie eine typisch amerikanische Erfolgsgeschichte, und sollte in den nächsten Jahren mal ein Buch über die Künstlerin erscheinen, dann wird Burial Hex darin wohl eine ähnlich marginale Rolle spielen wie Durtro oder die Blacklips in der breiteren Wahrnehmung Antony Hegartys.

So viel zum Resümee, das sicher für einige interessant ist, die Zola Jesus erst in den letzten Jahren auf Hochglanzseiten entdeckt haben und der verbreiteten Ente aufgesessen sind, die besagt, dass Danilova bisher nur drei Longplayer veröffentlicht habe. Zeit nun, die Musik einfach als das zu wüdigen, was sie ist – gut ausgefeilte elektronische Designermusik von bestechender Ernsthaftigkeit, die trotz Glättung noch Respekt einfordert. Auf ihrer aktuellen LP „Taiga“ begibt sich Danilova, deren Reise in staubigen Kellern begann und durch stylische Clubs führte, in den schier endlosen Dickicht des subarktischen Waldes, der weniger durch diesige Nebelschwaden, als durch das klare Auge einer virtuos geführten Digitalkamera betrachtet wird. „Taiga“ ist von einer fast heimeligen Qualität, die einen die Kälte der Sujets und die Wildheit des Settings wie in einer warmen Kapsel schwebend erahnen lässt.

Dies kann an den Klangfarben und Harmonien aller Songs liegen, die von Danilova und Produzent Dean Hurley auf einen warmen, aber gleichsam luftigen Klang hin gestaltet worden sind. Das Ergebnis ist ein angenehmer, eingängiger Pop von durchaus wechselhafter Gestalt, der all jene unbefriedigt lassen muss, die eine solche Musik nur goutieren, wenn sie einem mit dem emotionalen Holzhammer präsentiert wird. „Taiga“ wahrt nämlich selbst in den dramatischeren Momenten eine dezente Reduktion des Ausdrucks. Das mag daher rühren, dass der titelgebende Wald des hohen Nordens – den Texten nach zu urteilen – ein primär innerpsychischer Ort ist. Seit jeher zieht Danilova die vorsichtige Andeutung dem plakativen Seelenstrip vor.

Das Album weist eine ganze Reihe an roten Fäden auf. Klare, sphärisch einleitende Songanfänge aus ambienten Flächen und A Capella-Gesang, die bald eine Steigerung erfahren und sich an markanten Höhepunkten entladen – in dezent bemessenen Breakbeat-Gewittern oder in kräftigen Bläsersounds. Dazu plastische und auf Kontrastreichtum getrimmte Elektronik, deren Machart weder fett noch mager ist. Für die orchestralen Details gilt ähnliches, und auch die rasselnden Rhythmen entfalten ihre Dynamik in einem Rahmen, der genau bemessen scheint.

So viele Mittelwege können einen mit der Zeit etwas ermüden, und wer Zola Jesus einmal über eine Punk’n'Wave-Attitüde goutiert hat, wird sich mit dem geschliffenen Sound ohnehin nur schwer anfreunden können. Da wünscht man sich fast die Zeiten zurück, in denen die Absage an einen rauen DIY-Charme mit trivialem Ausverkauf einher ging. Doch den Gefallen tut Zola Jesus ihren Kritikern nicht, die vor ihrer kunsthandwerklichen Sensibilität und ihrer leicht versnobten Ernsthaftigkeit nun (wenn auch gähnend) die Hüte ziehen müssen. (U.S.)

Label: Mute