Dass sich Xavier Charles für den Klang seiner Küchengeräte begeistert, mag bei gestandenen Soundart-Fans zunächst Augenrollen hervorrufen. Dass der Mann eigentlich Klarinette spielt und seine beiden Metiers gerne zusammenführt, lässt schon eher aufhorchen, mehr noch die Tatsache, dass er in der Küche vor allem den versteckten, oft überhörten Geräuschen auf der Spur ist, von denen selbst der häuslichste Mensch schwören würde, sie noch nie zwischen Spüle und Geschirrtruhe vernommen zu haben. Bezeichnenderweise fiel sein Augenmerk vor Jahren schon auf den Kühlschrank, der ja allgemein als eher ruhiger Kollege gilt. Trotz des Albumtitels kommen auf „12 Clarinets in a Fridge“ noch eine Reihe anderer Geräte zu Wort.
Besonders bezeichnend am Titel ist die Präposition „in“, bilden die aufgespürten und subtil bearbeiteten Geräusche doch in allen fünf Tracks den Rahmen bzw. die Hülle, in welcher sich die Klarinette als typisches Soloinstrument erst entfaltet. Vieles spricht dafür, dass die (oft mehrspurig aufgenommenen) Klarinettenparts erst nach den Geräuschen, kurz vor dem finalen Schliff, eingespielt wurden. Charles’ Erfahrung mit frei improvisierter Musik kam ihm dabei zugute, denn oft lassen sich die Bläserparts von den Geräuschen führen, reagieren souverän auf Töne, Klangfarben, Tempowechsel und zahlreiche wechselhafte Strukturen.
Das dem Gefrierschrank gewidmete Stück beginnt mit einem lauten Knall und überrascht durch sein konsequentes Foregrounding, aber auch durch das Amalgamieren von Geräusch und Instrumentenspiel, das an wenigen Stellen des Albums derart stark auf eine Fusion hin ausgerichtet ist. Kratzen, Brummen und sinuswellenartiges Pfeiffen scheinen hier meilenweit von ihren Quellen entfernt, und auch bei dem Sound, der wie eine Schuttlawine klingt, muss man dem Künstler den Hinweis auf die Herkunft einfach glauben. Später, vor Kulissen aus zum Teil perkussiv bearbeiteten Metall- und Kunststoff-Objekten gibt sich die Klarinette deutlicher zu erkennen und kippt erst mit der Zeit in virtuelles Vogelgezwitscher oder entgrenzt sich im infernalen Chaos hektischer Klangfetzen.
Der Slip Slap-Rhythmus in „10 Clarinetts in a Washing Machine“ zeigt, dass experimentelle Musik keineswegs humorfrei sein muss, und lässt ausnahmsweise keinen Zweifel über die verwendete Gerätschaft aufkommen. Auch hier bleibt der Sound sich nicht selbst überlassen, doch im Schnitt sind es eher die undefinierbaren Sounds, die Charles’ größte Stärke, Unterschwelliges hörbar zu machen, am meisten offenbaren.
Label: Unsounds