JOHN CARPENTER: Lost Themes

Sieht man von Bernard Herrmanns – ein Filmkomponist, den John Carpenter in einem Interview einmal als wichtige Inspiration angab – atonalen Violinen für die Duschszene in Psycho ab, so ist die Halloweentitelmelodie im 5/4-Takt vielleicht das bekannteste Stück Musik, das je einen Horrofilm untermalte. Nur wenige Töne genügen, um vor dem geistigen Auge des Zuhörers die Captain Kirk nachempfundene Maske, unter der Michael Myers sein Gesicht verbirgt, erscheinen zu lassen. Ursprünglich mag die Tatsasche, dass der Regisseur seine eigenen Filme scorte, finanziellen Gründen geschuldet gewesen sein („I usually score my films because I’m the fastest and the cheapest.“, bemerkte er einmal lapidar). Dabei lag Carpenters Stärke oftmals in der Reduktion: Weiterlesen

JOSEF DVORAK feat. FUCKHEAD & DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND: Sous L’Arbre De Sience

Der Wiener Josef Dvorak ist Theologe und Psychoanalytiker mit Wurzeln im Wiener Aktionismus. Mir ist er in erster Linie als Autor eines Buches über den Satanismus bekannt, das sich wie die Zusammenfassung einer halben Spezialbibliothek liest und aufgrund der enormen Dichte an Namen und Begriffen v.a. ein gutes Nachschlagewerk abgibt. Keine Frage, dass er ein äußerst untypischer Vertreter seines Faches ist und seine Anhänger weniger in den akademischen Fakultäten als in einschlägigen Subkulturen findet, wo es an nonkonformen Suchern nicht mangelt. Gelegentlich hört man ihn Weiterlesen

URNA: Couchemar

Hinter dem Namen Urna versteckt sich der italienische Ritualdröhner Gianluca Martucci, der neben der Musik auch als Maler und Tattoo Artist aktiv ist und bereits Artwork für Kinit Her gestaltet hat. Dass seine bisherigen Alben hierzulande, trotz Signings bei Slaughter Productions oder den rührigen Brave Mysteries, etwas untergegangen sind, mag eventuell auch dem unscheinbaren Namen geschuldet sein. Dem sollte man allerdings abhelfen, und sein neues Tape könnte da einen guten Einstieg bieten. Weiterlesen

THOMAS KÖNER: La Barca (Complete Edition)

Thomas Köner hat sich allein schon mit seinem Frühwerk einen Platz im Pantheon der Geräuschmusik(er) gesichert, die nun nur digital erhältliche Veröffentlichung „La Barca (Complete Edition)“ wird ein Weiteres dazu beitragen und ist ein wahres Mammutunterfangen: Ursprünglich war „La Barca“ eine Videoinstallation, audiovisuelle Liveperformance wie auch ein Album, das 2009 als CD, 2010 auf Vinyl mit fünf Bonustracks erschien und nun für die digitale Veröffentlichung um weitere fünf, bisher unveröffentlichte Stücke ergänzt wurde. Weiterlesen

SAWAKO: Nu.it

Welche Eigenschaften muss eine Musik haben, um „nächtlich“ zu klingen? Lässt man seinen Assoziationen freien Lauf, wird schnell klar, welch Fass ohne Boden die Nacht ist und wie reichhaltig die Musikgeschichte ist an Nokturnen, kleinen Nachtmusiken und weiteren Versuchen, die dunkle Seite des Tages zu erfassen. Ein Medium par excellence ist sicher Ambient. Gleitend, oft dunkel und geheimnisvoll, meist frei von lauter Geschäftigkeit scheint diese Musik wie geschaffen für die Ausfüllung dunkler Orte. Dass das nicht immer auf Düsterklischees hinauslaufen muss, belegt jüngst die profilierte Multimediakünstlerin Sawako. Weiterlesen

FORRESTA DI FERRO: Bury Me Standing

Mit „Seppelliscimi in Piedi“, dem ausklingenden zweiten Titelsong ihres bisher einzigen Albums, ist Forresta di Ferro ein seltsames Meisterstück gelungen – vordergründig ein simpler Italofolksong mit Akkordeon und zirkushaftem Walzertakt wirkt das Stück durch seine effektunterlegte Vokalspur, die wie aus einem Telefonhörer herüberweht, ins nahezu Unwirkliche, Gespenstische entrückt. Mit seinem kämpferischen Text und der repetitiven Struktur suggerierte das Lied für mich stets die Vorstellung einer ausladenden Kamerafahrt durch ein Ruinenfeld irgendwo im Italien Weiterlesen

ALBATWITCH: If Corporations Are People, Why Don’t They Die?

Man mag manchmal den Eindruck haben, dass Personen, die ein spirituell geprägtes Weltbild haben oder ein Leben führen, in dem Metaphysik keine nur marginale Rolle zukommt, politisch nicht immer besonders scharfsinnig sind. Timothy Renner allerdings, dessen von christlichen und animistischen Ideen geprägte Band Stone Breath im wahrsten Sinne des Wortes die Avantgarde, die Speerspitze des Weird Folk darstellt(e), hatte schon mit seinem mit Brian Magar eingespieltem Albatwitch-Debüt „Only Dead Birds Sing Over the Graves of Fallen Kings“ radikale Kritik an menschlicher Hybris, an naiver Technikgläubigkeit Weiterlesen

CONURE: Interpretations

Als Ende der 70er Genres wie Noise und Industrial entstanden, erlebte die experimentelle elektronische Musik nicht nur neue Dimensionen des Atonalen und Verstörenden. In ihrer sarkastischen Haltung zur spätindustriellen Gesellschaft und aufgrund ihrer Liebe zum Schrott brachen einschlägige Musiker auch eine Lanze für das Aneignen, Recyclen und Umcodieren ganz unterschiedlicher Ausgangsmaterialien, sei es durch Sampling, durch Querverweise oder durch Kollagetechniken unterschiedlichster Art. Über die Jahre ist aus der einstmals revolutionären Neuerung ein solides Handwerk geworden, auf das nur selten noch jemand explizit verweist. Zu den Ausnahmen zählt der in Berlin lebende Kalifornier Mark Wilson, der seit gut fünfzehn Jahren unter dem Namen Conure – dt. „Sittich“ – aktiv ist. Weiterlesen