Der Mythos um „Tangier Sessions“ ist schon seit ein paar Monaten im Umlauf – eine in einem Schweitzer Trödelladen zufällig aufgeschnappte Gitarre aus besseren Zeiten und von besonderem Fabrikat, Sir Richard Bishops wiedererwachte Lust, darauf die vielen Motive aus arabischen, maghrebinischen, griechischen und anderen Traditionen aufleben zu lassen, die der Gitarrist seit seinen Tagen bei den Sun City Girls kennen gelernt hatte und nicht zuletzt ein kleines Apartment mit Dachterrasse im marrokkanischen Tanger, wohin er sich für eine Zeit zurückzog und die vielen Echos zu einem eigenständigen Werk heranreifen ließ.
Vergleichen mit seinem letzten Album „The Freak of Araby“, das einen opulenten Bandsound pflegte, und der dronigen All Star-Combo Rangda mit Ben Chasny und Chris Corsano schlägt Bishop auf „Tangier Sessions“ die Brücke zu seinen frühen Soloalben noch weit in Zeiten der Girls – allem voran „Improvika“ und „Fingering the Devil“, auf denen ebenfalls nur akustische Gitarrensaiten zu hören waren, oder zum ganz frühen „Salvador Kali“ bei dem er traditionelle Spielweisen aus vier Kontinenten kombinierte oder eher noch ihren roten Faden hervorhob.
Diese Beobachtung drängt sich auch bei „Tangier Sessions“ auf, dessen sieben Stücke trotz der harmonischen und melodischen Vielfalt eine gelungene atmosphärische Einheit bilden. Schon so gesehen ist es stimmig, das Werk nach einem Ort zu benennen, denn man unternimmt hier keine Weltreise, noch betrachtet man ein ausladendes Panorama, sondern betritt einen – vielleicht nicht einmal fiktiven – Ort, an dem all diese Dinge gleichsam vorhanden sind und sich weder abstoßen, noch sich bei der Berührung zu einem einheitlichen Brei auflösen.
Was das Album auch in Bishops Diskografie heraushebt, ist das Filigrane jenseits allen Muckertums, das auch komplizierte Fingerpickings elegant anmuten lässt – fingering the devil once more. Ebenso souverän weiß der Gitarrist Afrikanisches und Vorderasiatisches mit Blues und Flammenco-Akkorden vom anderen Ufer der Straße von Gibraltar zu überblenden, ohne dass es artifiziell wirken würde, dafür aber streckenweise derart intim, dass man meint, den Meister in Echtzeit beim Improvisieren zu erleben.
Im allerweitesten Sinne hat Bishops Geflecht aus Motiven auch eine politische Komponente, verstanden als Ausruck einer vernünftigen Transkulturalität, die das Gegenteil aller Klischees der Assimilation, des Multikults und des identitären Stumpfsinns darstellt. In einer Zeit, in der allerhand absurde und weniger absurde Interessenkämpfe das Zusammenspiel von Kultur(en) unterbinden, ist ein derart virtuoses Festival traditioneller Echos ein gutes Statement.
A. Kaudaht
Label: Drag City