Zu dem Komponisten Steve Reich ist viel gesagt worden und gerade als interessierter Laie ohne musiktheoretisches Fundament neigt man vielleicht dazu, sich im Großen und Ganzen an die gängige Sicht zu halten, die auch recht überzeugend klingt. Reich gilt als einer der konsequentesten Vertreter der sogenannten Minimal Music, die sich seit den 60ern in bewusster Abgrenzung zum als abstrakt empfundenen Serialismus der repetitiven Reihung kleinster musikalischer Muster zuwandt, einer additiv ausgerichteten Musik, die auf den ersten Eindruck monoton erschien und hypnotisierend wirkt.
Bein genaueren Hinhören ist die Musik aber weit weniger einfach gestrickt, die scheinbar endlose Wiederholung simpler Metriken, die Reich für Orgel, Piano oder Schlagzeug vorgab, lässt eine Spannung entstehen, die die Struktur durchkreuzt, ganz abgesehen von subtilen Variationen und Ergänzungen, die bewusst machen, wie sehr sich Aufmerksamkeit und Zeitwahrnehmung beim Hören verändern können. Dass Reichs Kompositionen sowohl klanglich als auch motivisch als „trockener“ empfunden werden als die Arbeiten von Kollegen wie Glass oder Nyman, wird gerne darauf zurückgeführt, dass er zur Hälfte vom Jazz kommt und von Haus aus Drummer ist. Wie all dem sei, Reich ist nach wie vor aktuell, hat Projekte wie Elijah’s Mantle und zahlreiche Electronica beeinflusst, und seine Werke werden nach wie vor interpretiert. Zu den jüngsten Umsetzungen zählt die Interpretation früher Stücke durch das Leipziger Ensemble Avantgarde.
Die vier Kompositionen, die das Ensemble auf der vorliegenden LP aufführt, stammen aus den späten 60ern, aus der Zeit vor dem Durchbruch mit Stücken wie „Music for 18 Musicians“. Das knapp zwanzigminütige „Four Organs“ kombiniert die besagten Orgeln mit den leichten Rhythmen zweier Maracas-Rasseln. Auf kleinen Mustern aufbauend entstehen mittels Phasenverschiebung und subtilen Tempowechseln interessante Effekte, die die Aufmerksamkeit im Laufe des Stücks mehr und mehr schärfen. Ähnlich meditativ wirken sich die etwas melodischer angeordneten Orgel- und Piano-Akkorde in „Phase Patterns“ aus. Die beiden „Pendulum Music“-Stücke mit ihrem an Klarinette erinnernden Sound leben primär von der Plazierung von Mikrophonen, Verstärkern und Lautsprecherboxen. Die Pendel sind im dem Fall die Mikrophone, die in steter Bewegung sind und ganz unterschiedliche Feedbacks generieren, die kaum steuerbar sind und folglich bei jeder Auführung divergieren müssen.
Wieviel an dieser klanglich hervorragenden Musik der Partitur und wieviel der Interpretation geschuldet ist, müssten Experten beurteilen – mich spricht sie an. (U.S.)
Label: Karlrecords