DBPIT AND GUESTS: Dark Lights [Frantic Cityscapes]

Unter einem urbanen Lebensstil kann man sehr unterschiedliche Dinge verstehen. Gerade der kreative, hippe Großstädter, der einem großen Teil der Musik- und Kunstwelt seinen Stempel aufdrückt, hat meist wenig Bezug zu den Banlieues dieser Welt, was deren Tristheit gelegentlich verstärken mag und ihnen zugleich eine gewisse Ehrlichkeit lässt – schließlich findet man ihn doch meist in Stadtteilen, die ihre raueren Zeiten bereits hinter sich haben, in beschaulich-unordentlichen Altbaugegenden in Brooklyn, Neukölln oder dem Römischen Pigneto. Das resultiert nicht selten in einem Erfahrungshorizont, der immer noch näher an der grande bellezza ist als an dem tristen Erwachen, das auf die fordistischen Träume von Gropius und Corbusier folgen sollte.

Die Metropole als Identifikationsraum ist nach wie vor oder vielleicht sogar mehr denn je durch das geprägt, was Phrasenschleuder Roland Barthes einmal die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nannte, eine akademisch abgewirtschaftete Bezeichnung, an die man beim Thema Stadt dennoch ab und zu erinnern sollte, da in vielen urbanen Millieus eine Art Dorfmentalität vorherrscht, die nur ihren eigenen partikularen (Nachbarschafts-)Horizont mit Assoziationen belegt. Das urbane Ganze, die vielfältige Mischung aus Alt und Neu, bleibt die Domäne kopflastigerer Diskurse.

Umso erfreulicher, dass der Soundbastler Flavio Rivabella alias Der Bekannte Post-Industrielle Trompeter, kurz DBPIT mit Partnerin XxeNa und zwei weiteren Gästen dem Sujet gerade ein Album gewidmet hat, dass mit acht Tracks und ebenso vielen Fotografien der ambivalenten Vielgestaltigkeit großer Städte Rechnung trägt. Wie nicht untypisch für Rivabellas neuere Aufnahmen gibt sich die Musik pulsierend elektronisch und ist recht weit entfernt von den offen dadaistischen Klanggebilden des Frühwerks im Dunskreis von Novy Svet und Mushroom’s Patience. Die monotonen Takte des Openers lassen Serielles vom Fließband assoziieren und knüpfen direkt an einen Teil der Fotoaufnahmen an, die ebenso serielle Wohnfabriken und ähnliches zeigen.

Nun wäre all dies arg tendenziös, käme es ohne einen eigenen ästhetischen Reiz daher, der sich im Schattenspiel der Aufnahmen ebenso findet wie im Clubfeeling einiger Stücke (herausragend die Kraxelbeats in „Loud and Clear“). Und es wäre noch einseitiger, würde der genannte Inner City-Charme mit seiner hippen Nostalgie fehlen, der sich nicht nur in den verwunschenen Verfallsszenarien einiger Fotos zeigt: Blues-Reminiszenzen wie in „Eternal Blue“ und vor allem Rivabellas stoisch abgeklärte Trompetenparts bringen nicht nur die nötige Coolness, sondern – altmodisch gedacht – auch ein bisschen Kultur in die zivilisierte Monotonie. (U.S.)

Label: Dhatura