MORTHOUND: Off The Beaten Track The Light Don’t Shine

Betrachtet man die düstere Industrial-Riege der 90er und vergleicht diese mit der gediegenen und nicht selten etwas hippen heutigen Soundart-Szene, die man auf der CTM erleben kann und über die Monat für Monat der Wire berichtet, so kommt man zu dem Schluss, dass es zwischen diesen beiden Subkulturen kaum Berührungspunkte gibt. Dennoch hat Benny Nilsen, der sich mittlerweile BJ nennt, als einer der wenigen den Sprung von der einen in die andere Szene geschafft und tanzt mittlerweile auf beiden Hochzeiten. Sein Projekt Morthound, vor rund zwanzig Jahren einer der klassischen Exponenten des dunklen Industrial und des Cold Meat-Labels, galt lange als abgeschlossen, bis sich im letzten Jahr die Lebenszeichen häuften, namentlich ein Auftritt auf dem Epicurean Escapism-Festival und eine 5-CD-Box mit allen vier Alben sowie unveröffentlichtem Material unter dem Titel “Morthology”.

Dass Nilsen Morthound auch als Studioprojekt wiederbeleben würde, lag somit in der Luft, und alle Erwartungen bestätigen sich nun in Form von “Off the Beaten Track the Light don’t Shine”, einem Werk in vielen dunklen Farbschattierungen, dass nebenbei noch von Nilsens Erfahrungen mit Sampling und Feldaufnahmen profitiert. Für Die Hards der alten Schule werden in erster Linie die Tracks interessant sein, die besonders prägnant an das Frühwerk anknüpfen und dunklen Industrial bieten. Das ausladende „Between Midnight And Dawn“ ist so ein Stück, schon der Titel verweist unmissverständlich auf die episodische Reise durch dunklen Klanglandschaften, in denen unheilvolle Dialogfetzen in unterschiedlich starker Verfremdung mit hintergründigem Grollen und geheimnnissvollem Glühen überblenden. Oder das ebenfalls recht lange „Disquieted“, das zunächst auf ausgesprochen leisen Sohlen daherkommt und sich nach und nach, begleitet von cinematischen Spannungsmachern, zu einem wahren Inferno aus verzerrtem Rauschen hocharbeitet.

Schon bei diesen recht klassischen Tracks demonstriert der Musiker zwei seiner zentralen Fähigkeiten, nämlich mittels klanglicher Bewegung und angedeuteter Plastizität ein fast filmisches Raumgefühl zu suggerieren, begleitet von einem kunstvollen Umgang mit Geräuschen, bei denen er stets ein gutes Händchen für unterschiedliche Grade an Bearbeitung hat. Bei einigen seiner eher „dokumentarischen“ Arbeiten mit weitgehend naturbelassenen field recordings würde man sich eine solche Variationsbreite gelegentlich wünschen, aber das nur am Rande.

Zum Thema Variation gibt es aber auch bei „Off The Beaten Track..“ einiges zu sagen, denn die meisten der etwas kürzeren Stücke differenzieren den klassischen Morthound-Stil in die unterschiedlichsten Richtungen aus. Während „The Black Forest“ mit seine relaxten Ethno-Percussions noch gut zu der ambienteren Seite der klassischen Morthound passt, irritiert „The Munich Manual“ die Hörer mit der Illusion technoider Rhythmen, die sich jedoch als genial inkohärent erweisen und das Stück bald in einen Klangstrudel münden lassen, der in eine surreale Filmszene (ich kann mir David Lynch an der Stelle nicht verkneifen…) passen würde. „The Device“ beginnt mit enervierendem minimalistichem Geklicke, bis dass räudiges Grollen dem Spaß sein verdientes Ende bereitet und das Substrat für allerhand schemenhafte Soundfragmente bildet.

Letztlich ist das Album gerade deshalb ein gutes Comeback, da es an frühere Arbeiten zwar deutlich anknüpft, dabei aber trotzdem erst gar nicht versucht, 19 Jahre für null und nichtig zu erklären und somit ein wirkliches neues Kapitel einleitet. Es könnte spannend bleiben. (U.S.)

Label: Raubbau