GENETIC TRANSMISSION: Last

Das polnische Projekt, das sich nach einem bekannten SPK-Track benannt hatte, existiert schon ganze zwanzig Jahre lang und hat sich in vielen Aufnahmen einem Sound verschrieben, der dem entspricht, was Leute wie Vivenza einmal mit einem Begriff wie Industrial verbunden hatten: Gesamplete, kollagierte und nur subtil bearbeitete Sounds aus den Bildwelten industrieller Produktionsstätten. Dennoch bekommt man bei der Musik von Tomasz Twardawa schnell den Eindruck, dass es nicht einfach um eine Dokumentation oder atmosphärische Nachzeichnung von Lebensaspekten des 20. Jahrhunderts geht, sondern weitaus tiefer in der menschlichen Psyche geforscht wird. Dass industrielle Produktion und verwertund all dies mitprägen scheint mir da fast sekundär, vielmehr erscheint der heterogene, zusammengeschusterte Klang des Maschinensounds aufgrund seiner heterogenen und zugleich kantigen Beschaffenheit ein viel umfassenderes Bild der Wirklichkeitswahrnehmung zu bieten.

Das soeben bei Zoharum erschienene “Last” erschien bereits vor Jahren als ultralimiterte CDr und war der abschließende Teil einer Reihe namens “IYHHH”, die sich der Dokumentation klanglicher Miniaturen widmete, welche auf nur analog bearbeiteten elektroakustischen Sounds basieren, widmete. “Last” enthält fünfzehn unbetitelte, eher kurze Stücke, die in ihrer Anordnung dem allseits bekannten Rhizom gleichen – ob man sie am Stück hört oder an beliebiger Stelle einsteigt und die Tracks im Shuffle-Modus hört, ändert nichts an Kohärenz und Inkohärenz des Gesamterlebnisses.

Bei der sampellastigen Klangfolge, die “Last” eröffnet, entsteht sofort der Eindruck, direkt Zeuge irgendeiner mechanischen Tätigkeit zu sein und das undefinierbare, aber jedem in unserer Kultur vertraute Rumpeln von Steinen, Schotter und Metallschrott in Echtzeit zu erleben – so als wäre ein paar Mikrophone direkt vor Ort plaziert und keine weitere Bearbeitung mehr nötig ist, da die Konzertierung perfekt ist und die grobkörnigen Klänge für sich sprechen. Im Unterschied jedoch zu einigen frühen Arbeiten von Organum beispielsweise erfahren die Sounds hier dennoch eine subtile Nachbearbeitung, wie um zu illustrieren, dass jede Unmittelbarkeit ohnehin Illusion ist, sobald man ein Geräuch suf einem Sekundärmedium rezipiert. Zu den offensichtlicheren Effekten zählen punktuelle Rewinds, subtile Rhythmisierungen und Verdichtungen, die die M;usik an einigen Stellen eine infernalische Orchestralität geben. Doch es gibt auch genügend Komponenten, die das Material – ebenso unmerklich, da es sich so gut einfügt – ergänzen. Grummelnde Stimmen und etwas das sehr stark an tiefe Klaviersaiten erinnert, tritt mit den quietschenden Riemen, dem Rauschen der Presslusft und dem allgegenwärtigen metallenen Scheppern in einen Dialog, der sich dem anschein nach zu einer einzigen Stimme verdichtet. Die Homogenität allerdings ist illusorisch, denn wen “Last” eines ganz deutlich zeigt, dann ist es die Zusammengesetztheit und Künstlichkeit all dessen.

Das Album erscheint 444mal handnumeriert in einem schön gestalteten Digipack im Postkartenformat. (A. Kaudaht)

Label: Zoharum