SHACKLETON WITH ERNESTO TOMASINI: Devotional Songs

Sam Shackleton hat in den letzten Jahren gezeigt, dass er sowohl die Großform als auch die Konzentration auf das Kleine sowie die Verschmelzung von Techno mit im weitesten Sinne fernöstlichen Klängen beherrscht. Ernesto Tomasini hat mit seiner Stimme die bisherigen drei Alben von Othon Mataragas maßgeblich mitgeprägt, seine Arbeit u.a. mit Andrew Liles oder im Bandkontext von Almaghest! haben bewiesen, dass er auch in einem experimentelleren Rahmen zu Hause ist.

Das Sakrale, auf das im Titel angespielt hat, wird konterkariert durch das Cartoonhafte und Übersteigerte des von Zeke Clough gestalteten Covers. Auf vier langen Stücken zeigen Shackleton, Tomasini, Raphael Meinhart (Vibraphon und Marimba) und Takumi Motokava (Keyboard, Akkordeon) wie das Zusammenspiel von elektronischen und akustischen Instrumenten funktionieren kann, um ausufernde, aber nie mäandernde Stücke zu kreieren. „Rinse Out All Contaminants“ beginnt mit Vogelzwitschern. „I am feeling ill and tired“, spricht Tomasini. “Rinse out all contaminants/let it go/let it go” singt er schließlich, schleppende und karge Perkussion setzt ein und die Elektronik dröhnt im Hintergrund. “You Are The One” beginnt mit Vibraphon und Marimba, sphärische Choralpassagen lassen sich erahnen, bevor Tomasini einsetzt, dessen Vortrag von Keyboards untermalt wird: „The leaves decay and the tree will die though the poison leaks away/And the whole wide world must go to the dogs before we find our way”. Bei den langen Instrumentalpassagen meint man fast, Ray Manzarak spiele seine Orgel. Auf „Twelve Shared Addictions“ zeigt Tomasini, was seine Stimme alles kann und wechselt bei seiner Aufzählung von Bariton zu Falsett: „eleven filthy thoughts“ […] „eight mindless words“, [...] „six sickeinng savagery“ […] „three communal concubines“ . Auch hier wieder gibt es wie beim vorangegangenen Track lange Orgelpassagen. „Father, You Have Left Me“ (ein Ausruf, der an einen „carpenter by trade“ (Nick Cave) erinnert) ist eine Absage an/eine Abrechnug mit der Familie, eine Aufkündigung aller Blutsbande. „sister now you curse me you won‘t see me again/father you have left me, you won’t see me again“ . Tomasinis Stimme wird teilweise verfremdet, Marimba und Beats spielen gegen einander an. Gegen Ende ertönt inmitten der verrauschten Elektronik ein trauriges Akkordeon, ganz so, als verspüre man doch ein leichtes Bedauern ob dieses Zustands der Verlassenheit.

Es mag vielleicht ein etwas (zu) einfacher Vergleich sein, aber diese Lieder erinnern teilweise an die Spätphase von Coil, als diese sich als Liveband neu erfanden. Das sollte man als Referenzpunkt lesen, nicht als Vorwurf der mangelnden Originalität, denn diese „Devotional Songs“ sind letztlich völlig eigenständig und man kann ihnen tatsächlich nur mit Hingabe und Ehrfurcht („reverence for things one cannot understand“, wie es Robert Aickman einmal formulierte) begegnen. (MG)

Label: Honest Jon Records