Man muss sich nicht durch das Gesamtwerk von Georges Bataille gearbeitet haben (auch wenn es sicher nicht schadet), um die Verbindung von Sexualität und Schmerz (an) zu erkennen. In der BDSM-Szene wird das scheinbar am deutlichsten in den Fokus gerückt.
Ich erinnere mich noch, wie mir vor Jahren ein italienischer Musiker von seinen Erlebnissen auf dem WGT berichtete, als er dort eine Fetisch/SM-Party besuchte und an den Wänden überall Zettel mit Regeln (was der Sklave nicht tun dürfe, was dem Herrn erlaubt sei) sah. Besagter Musiker meinte, wenn er an Fetisch etc. denke, dann würde er an Schmutz und Sperma denken und nicht an Regeln. Camille Paglia, deren Kommentare zu SM in der Community über die Jahre nicht gerade positiv aufgenommen worden sind, sagte einmal in einem Interview: „I would be into S/M if I were very young. But as someone who grew up in the fifties, I have S/M in my mind. I think that the intensity of my S/M fantasies is such that seeing people really do it is sort of depressing to me. It’s less than what I had created in my mind all these years when I was so frustrated for lack of meeting anyone with similar fantasies or attractions.” Beide Aussagen treffen vielleicht ein grundsätzliches Problem, nämlich das oft sehr Schematische und Regelhafte bei der Inszenierung, am offensichtlichsten vielleicht bei Farbe (schwarz) und Material (Lack, Latex, Leder etc.) der Kleidung („Black Rubber Man“ heißt der Abschlusstrack auf Beyond Enclosures Debütalbum dann auch). Oftmals gerinnt die Transgression dabei zum Klischee und lässt sich, wenn man böswillig ist, als Zeichen verarmter Imagination lesen.
Im (Post)Industrial haben sich eine Reihe von Bands am Thema BDSM abgearbeitet: Z.B. Die Form, Master/Slave Relationship oder – vielleicht am differenziertesten- die deutschen Fetisch Park. Ansonsten hat man den Eindruck, dass – und William Bennett ist daran sicherlich nicht ganz unschuldig – bei vielen Power Electronics-Projekten Verweise darauf zum Standard gehören und die Überschreitung (von Genrebegrenzungen) durch eine Hymne auf Blümchensex manch einen Hörer vielleicht eher (ver)stören würde.
Auch Beyond Enclosure setzen auf „Dungeon of Total Void“ im Innern der CD auf ein vertrautes Repertoire an Bildern, um eine Musik zu illustrieren, die Death Industrial mit einer kleinen Dosis Power Electronics vermischt. Das erste Stück dient als Einleitung: Man wird „Into the Dungeon“ geführt, Ketten klirren, man hört verfremdete Stimmen, es dröhnt. „Autoerotik Punishment“ ist mit seinen Hochtönen und ultraverzerrten Stimmen rabiater. Wenn die Vocals in ihrem Befehlston einsetzen, dann weiß man auch, warum Samantha Diabolik, die eine Hälfte des Duos, mit „Commands“ gelistet wird. Ein besonders ruppiges Stück heißt dann auch „Chain of Command“. „Basement Paraphilia“ wird von Hochtönen durchzogen, im Hintergrund kracht es. „Forceful Aquisition of Faith“ ist (gerade wegen seiner Reduktion) einer der stärksten Tracks: Das ist ein fortwährendes Warten auf die Eruption; die Stimme, die im Zentrum des analogen Brummens ist, lässt sich kaum noch einem Geschlecht zuordnen. Vielleicht möchte man nicht wirklich wissen, mit welchen Mitteln hier jemand bekehrt wird. (J.M.)
Label: Malignant