Ich weiß nicht viel über Grog Vim, aber der Legende nach soll er eine moderne Renaissance-Figur gewesen sein, und selbst das mit der Vergangenheitsform ist so eine Sache, denn niemand weiß genau, ob er nicht vielleicht doch noch unter uns weilt. Als man noch mehr von ihm mitbekam, war er auf der Suche nach einer Art Weltformel, und sein letztes Lebenszeichen war eine Mondfahrt, die allgemein als Fahrt nachhause interpretiert wurde, da er bereis zu Forschungszwecken auf unserem Trabanten war. Man findet ihn übrigens in keiner Enzyklopädie, aber das macht nichts, denn der Mythos, den Larsen auf ihrem aktuellen Album spinnen, ist in seinem rein andeutenden Charakter aussagekräftig genug.
Man muss dazu sagen, dass die Angaben, die die Band um Fabrizio Modonese Palumbo über die Geschichte macht, nicht weit über diese kurze Zusammenfassung hinausgehen, aber das macht nichts, denn das musikalische Narrativ, das sie auf ihrem derzeit wieder rein instrumentalen Album entwerfen, lässt an emotionalem Reichtum kaum Wünsche offen. Am Ende fällt auf, dass man den ominösen Grog Vim ganz vergessen hat, aber irgendwie hat man zugleich das Gefühl, einiges über die Geschichte zu wissen.
Larsen, diesmal nur vom Swans-Drummer Thor Harris unterstützt, arbeiten mit vertrauten Mitteln, und es ist schön zu sehen, dass sie nach einer Zeit intensiver Kollaborationen mit Sängern wie zuletzt Little Annie, immer noch das können, was ihre klassischen Arbeiten ausmachte: Mit auf den ersten Eindruck recht einfachen Mitteln wie repetitiven Rockstrukturen, anrührenden Pianopassagen, spacigen Synthies und einer subtilen Steigerung von Fülle und Intensität eine Stimmung zu erzeugen, die nicht primär zur Konzentration einlädt, die aber eine fast meditative Wirkung erzeugt, wenn man die Konzentration aus eigenem Wunsch vornimmt.
In der Musik, die gerne ein bisschen wehmütig, doch nie klagend und immer genügsam rüberkommt, wirkt alles stimmig und jeder Ton scheint an der richtigen Stelle zu sitzen. Und doch gibt es eine Menge, über das man auf Grog Vims Reise von der Geburt zur finalen entgrenzten Mondfahrt stolpern kann: Treibende Snares und überraschend lärmendes Scheppern und Rauschen, zudem drängendes, disharmonisches Feedback, fast metallastige Passagen – viele Details, die die noisigen Anfänge der Band in Erinnerung rufen. Aber ebenso Schöngeistiges, das an traditionelle Instrumente aus verschiedenen Kulturen erinnert, manchmal sogar Einsprengsel, die wie das Summen menschlicher Stimmen klingen. Viele der musikalischen Motive werden auch eher „sanft“ angedeutet, wecken Assoziationen und verschwinden wieder im Fluss der weiterziehenden Musik, aber ähnlich wie bei Kafkas „Proceß“ bemerkt man das Fragmentarische nicht unmittelbar.
All dies ist schon deshalb erwähnenswert, weil es so gekonnt in den harmonischen Fluss der Musik eingebettet und auf die Reise mitgenommen wird, aber auch weil es den jeweiligen kleinen Wegstrecken, die die einzelnen Stücke darstellen, eine spezielle Kulisse mit eigenen Farben und Figuren gibt. Über den Helden muss man dabei nicht viel Worte verlieren, und Larsen haben ihm sicher nicht grundlos ein Instrumentalalbum gewidmet.
Übrigens gab ich früher immer den Alben bzw. Tracks den Vorzug, bei denen die Turiner mit Gastsänger(innen) arbeiteten. Während Larsen und David Tibet meines Erachtens nur bedingt funktionierten, überzeugten Jaboe etwa und Little Annie in diesem Kontext besonders gut, man denke nur an das Album „Le Fever Lit“ mit dem großartigen Song „Lefrac City Limits“. „Of Grog Vim“ lässt mich diesen Eindruck jedoch leicht korrigieren, nicht nur weil hier nichts fehlt, sondern auch weil die Band so ganz mit sich allein einen noch besseren Blick auf das Wesen ihrer Musik offenbart. (U.S.)
Label: Important Records