SOUNDWALK COLLECTIVE WITH JESSE PARIS SMITH FEAT. PATTI SMITH: Killer Road

Manchmal hatte man in den letzten Jahren den Eindruck, Nicos zeitlose Musik werde zu sehr von ihrem Leben (als „Femme Fatale“, Junkie, früh Verstorbene etc.) überlagert, die Titel einiger gelungener und weniger gelungener Hommages an sie mögen das illustrieren: Da wurde die als Christa Päffgen in Köln Geborene wahlweise zur „Ikone“ , „Sphinx aus Eis“ oder „Mondgöttin“. Vielleicht ist dann auch eine der beeindruckensten Stellen in Susanne Ofertingers Dokumentation, wenn John Cale am Ende (s)eine Version von „Frozen Warnng“ anstimmt und damit noch einmal Nicos Qualitäten als Songschreiberin illustriert.

Das Soundwalk Collective verweist auf dieser vor einigen Monaten erschienenen Veröffentlichung zwar durch die auf Ibiza gemachten Feldaufnahmen und das Titelstück explizit auf Nicos Tod, versucht aber in stärkerem Maße die Texte Nicos in den Vordergrund zu rücken, denn um Coverversionen im eigentlichen Sinn handelt es sich nicht, zu sehr entfernt man sich musikalisch von den Originalen, verzichtet man (fast) völlig auf Gesang und setzt stattdessen auf Rezitation. Das Titelstück, das scheinbar auf einem unveröffentlichten Text Nicos basiert, lässt sich fast schon als Antizipation des eigenen Todes lesen, wird die „Killer Road“ (“The killer road is waiting for you / like a finger, pointing in the night.”) zur Straße auf Ibiza, auf der Nico (den Hunger nach Herion nun durch Methadon stillend) nach einer Hirnblutung vom Fahrrad fiel und wenig später verstarb. Der Text wird von Patti Smith (die Ende der 70er Nicos aus Geldnot verkauftes Harmonium erstand und es ihr schenkte) – wie auch bei fast allen weiteren Stücken – gesprochen, geflüstert, lediglich untermalt vom Zirpen der Grillen und dezenter perkussiver Elektronik. Weitgehend darauf zu verzichten, die Texte zu singen, ist sicher auch deswegen eine gute Entscheidung gewesen, weil Nicos dunkle Stimme mit ihrem bewusst prononcierten deutschen Akzent zu eigen, zu einzigartig war.

Bei der Auswahl der restlichen acht Stücke hat man darauf geachtet, jedes Nico-Album zu berücksichtigen -sieht man von dem Debüt ab, das musikalisch völlig anders geartet als das Restwerk ist und auf dem die Stücke (fast) ausschließlich von anderen geschrieben wurden. Die Feldaufnahmen prägen die Stücke: Auf „My Heart is Empty“ summen Insekten, singen Vögel, ein entfernter Drone wie ein brummendes Stromkabel untermalt Zeilen wie “There is no witness to my anger/When it stabs until he dies/I am looking for the strangler/To help me, help me with my crime“. Zeitweise scheint Patti Smiths Stimme ganz zu verschwinden. Aus dem im Original getragen-feierlichen „Evening of Light“ wird eine von einem dunklen Drone dominierte Nummer und wenn Smith “A dragonfly laying in a coat of snow/I’ll send to kiss your heart for me/Midnight winds are landing at the end of time“ flüstert, dann bekommt das in Wellenrauschen ausklingende Stück durchaus etwas Apokalyptisches. Auch das von Glöckchen und Knistern eingeleitete “Saeta” verbreitet eine ähnliche Stimmung und dadurch werden Zeilen wie “I will give them all they need/Everything they know and read/But they must cross the line”, die Smith mit einer wahrlich dämonischen Intensität vorträgt, äußerst beunruhigend. “Secret Side” knüpft an vorangegangen Stücke an. “Fearfully in danger” fällt etwas heraus, da hier erstmalig tatsächlich gesungen wird und Harmoniumdrones  zu hören sind. Auf „I Will Be Seven“ (das Nico während ihres letzten Konzerts spielte und von dem es keine Studioversion gibt) bekommen die (gesungenen) Zeilen „I will be seven/When I meet you in heaven“ eine mehr als ambivalente Bedeutung. Die auf “The Sphinx” beschworene “loneliness” erzeugt in Verbindung mit den Drones eine Atmosphäre von Trauer, wobei Smith im Verlauf des Stücks den Text fast schon mit einer trotzigen Wut vorträgt.  Mit “My Only Child” endet das Album: Gespäche sind zu hören, Smith spricht: “My only child remember well/
The words that you are told/For some of them it is only easy to survive”. (MG)

Label: Sacred Bones