WILLIAM BASINSKI: A Shadow in Time

In einem anlässlich der Veröffentlichung von Christoph Ransmayrs neuem Romans über den „Lauf der Zeit“ gemachten Interviews versucht der Journalist fortwährend dem Autoren Sätze zu entlocken, dass das Erzählen über den Lauf der Zeit triumphieren kann – einem Wunsch, dem der Österreicher nicht nachkommt: „Wenn seine [des Erzählers] Gehirnströme erlöschen, zum Stillstand kommen, und sein Herzschlag, dann ist das Spiel natürlich auch für ihn zu Ende und von einem Triumph dann noch zu reden, wäre lächerlich.“ Ein Landsmann Ransmayrs sprach in einer berühmt-berüchtigten Rede vor einigen Jahrzehnten davon, dass alles lächerlich sei, wenn man an den Tod denke – und natürlich kann der „arroganten Ewigkeit“ (P. Larkin), die „starr durch alle Scheiben“ blickt (Baudelaire), kein Kunstwerk trotzen.

William Basinksis Arbeiten konnte man (auch) immer als Meditationen über die Zeit und ihr/das Vergehen lesen, arbeitet(e) er doch häufig mit Momenten der Wiederholung, der Stasis, der leichten Variation(en). Auch seine Art des Komponierens, bei dem er zum Teil auf jahrzehntealtes Archivmaterial zurückgreift, lässt sich so verstehen. Seine Alben sind in ihrer oft zyklischen Struktur vielleicht auch Versuche die Zeit anzuhalten, selbst wenn das natürlich nicht gelingen kann. Versuch und Scheitern sind im Titel seiner wohl berühmtesten Werkreihe vereint: „disintegration loops“.

„A Shadow in Time“ besteht aus zwei gut zwanzigminütigen Stücken: Basinski hatte alte Loops gefunden, die von der Katze eines Mitbewohners angefressen worden waren. Dazu nahm er Aufnahmen von Saxophonexperimenten, die in den frühen 80ern entstanden waren, und komponierte daraus „For David Robert Jones“, seine Eloge auf David Bowie. Das Stück beginnt mit warmen, typisch verrauschten Loops; da hört man wieder die amniotischen Wellen, die klingen, als habe man während der Aufnahmen Watte vor das Mikro gepackt. Nach etwa sechs Minuten setzt ein Saxophonloop ein. Die Wiederholung der immergleichen Tonfolgen, der leicht dissonante Klang des Saxophons – ein Instrument, das David Robert Jones schon früh zu spielen lernte – geben dem Stück einen Moment des Verstimmtseins, der Traurigkeit, verdeutlichen vielleicht, dass inmitten des Arkadischen etwas ganz anderes lauern kann. Die Kombination des Klangmaterials lässt eine dem Sujet angemessene Trauermusik entstehen.

Das Titelstück ist einem chinesischen Freund Basinskis gewidmet, der Selbstmord begangen hat. Nach seinem Umzug an die Westküste der USA war Basinskis alter Voyetra 8-Sytnthesizer, auf dem Alben wie z.B. „Silent Night“ oder die zwei Teile von „Watermusic“ entstanden waren, erst einmal eingemottet. Für “A Shadow in Time” wurde er nun wieder verwendet, um ein ergreifendes aus an- und abschwellenden, übereinandergeschichteten kristallinen Klängen bestehendes Dronestück zu komponieren, das fast schon einen symphonischen Charakter hat. Am Ende setzt ein todtrauriger Pianoloop ein, den Basinski schon auf “Melancholia” verwendet hat. Von der Krankheit der Zeit können einen diese zwei Stücke (natürlich) nicht befreien, aber auf einer dreiviertel Stunde wird der Hörer in einem Zustand versetzt, den nur Arbeiten Basinskis hervorrufen können. (MG)

Label: 2062 (CD) / Temporary Residence (Vinyl)