HERMANN KOPP: Cantos Y Llantos

Auf seiner inzwischen vierten Veröffentlichung für Galakthorrö knüpft Hermann Kopp, der auf seiner Webseite seine Musik als „haunting sounds for extreme visions“ bezeichnet, an sein bisheriges Werk an. Schon auf seinem 1983 veröffentlichten lapidar „Pop“ betitelten Fulltime-Debüt ging es weniger um denselben, sondern fand man am „Nudistenstrand“ nicht Begehrliches als vielmehr eine „öde Fleischlandschaft“. Kopps thematische Interessen verorteten ihn zwischen „Mondo Carnale“ und „Nekronology“ – so der Titel einer Auswahl seiner Arbeiten für Jörg Buttgereits Filme. Körperlichkeit konnte hier eigentlich nur als fortwährender, akzelerierender Verfallsprozess gesehen werden. Kopp residiert schon lange in Spanien – etwas das sich bei der Sprachwahl auf „Cantos Y Llantos“ niederschlägt -, aber von der Stimmung, die seine Musik erzeugt, könnte man ihn sich auch gut in einem von Schimmel befallenen Palazzo in der Lagunenstadt vorstellen, in der man nicht auf den Trost von Fremden hoffen sollte und Kinder in roten Mänteln nicht das sind, was sie zu sein scheinen.

Auf dem die EP eröffnenden „La Frontera“ dröhnt für knapp zwei Minuten Kopps E-Violine eine fast sakrale Hymne. „La Muerte“ – zu dem es auch ein offizielles, in Schwarzweiß gehaltenes stimmungsvolles Video gibt – wird bestimmt von der immer an der Grenze zur Dissonanz streichenden Geige und dem Gesang, der „diabolica divina“ intoniert. Ab der Hälfte kommt monotone Perkussion hinzu. „El Odio“ ist im Gegensatz zum Vorgänger weniger songorientiert, klingt ganz so, als wolle Kopp eine ganz eigene Version des Backward Maskings kreieren. Die Geige klingt noch dissonanter, scheint zwischendurch zu verstummen, Wortfetzen lassen sich nur erahnen. Nach Grenze, Tod und Hass wird die EP mit „La Melancholía“, der Schwarzgalligkeit, beendet. Traurige Streicher werden durch in der Ferne hallendes Klopfen und Dröhnen untermalt.

Natürlich könnte man bei Kopps Themen und der Bildlichkeit, derer er sich z.B. für das  „La Muerte“-Video bedient (Friedhöfe, Schädel, Leichenhallen, Kreuze), kurz denken, hier benutze jemand abgegriffene Topoi, um den einen oder anderen WGT-Besucher zu begeistern, aber Kopp verfolgt seine Themen mit solcher Konsequenz und Konsistenz und zudem geht seiner Musik jedweder hohle Pathos und Kitsch ab, dass man diesen Gedanken sehr schnell verwirft. Kopp spielt eine authentische Musik des Ver- und Zerfalls, die sich wohltuend von all den allzu glatt produzierten Weltschmerzhymnen abhebt. Wenn man etwas pointiert konstatiert, dass sich die Conditio humana mit zwei, drei Gedichten Philip Larkins adäquat zusammenfassen lässt, so gelingt Kopp auf dieser 7′ ähnliches. (MG)

Label: Galakthorrö