Rituelle Musik kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Man denke an die flächigen, ganze Plattenseiten füllenden Soundscapes, die sich auf den frühen Alben von Current 93 oder Ain Soph fanden und dann an stärker perkussiv ausgerichtete Projekte wie Zero Kama, deren Musik vielleicht als “Technik der Ekstase“ (Eliade) zu Trancezuständen führen sollte. Natürlich ist so eine Unterteilung nie ganz trennscharf: LAShTALs auf Necrophile veröffentlichtes Album z.B. enthält Stücke, die in beide Kategorien passen. Oftmals spielt aber noch ein weiteres Element mit hinein, das weniger mit dem gewählten Instrumentarium zu tun hat als vielmehr mit der Aufnahme(qualität). Gerade das – sicherlich auch den begrenzten Mitteln geschuldete – Verrauschte verleiht z.B. frühen Ain Soph-Aufnahmen eine (vermeintliche) Authentizität – ganz so, als wohne man tatsächlich Ritualen in „The nethermost caverns“ (HP Lovecraft) bei.
Auf Ak’chamels inzwischen viertem Tape wählt das in Houston ansässige Projekt „The Giver of Illness“ als Beinamen – was zum Namen des Tapes sicher passt. Eröffnet wird „Death Chants“ von dem von Glöckchen und rituellen Gesängen durchzogenen „You Destroy Your Heart On Earth“, das klingt, als habe jemand ein mit Watte überzogenes defektes Mikrofon an einen alten Kassettenrekorder angeschlossen, um russische Schamanen beim Singen aufzunehmen. Auf „Life Is Not For Me“ hört man getragene Gesänge, Perkussion, Flöte. Das fast schon antinatalistische betitelte „The Tragedy Of Birth“ klingt mit seinen Blastbeats anfangs, als habe jemand ein altes mehrfach kopiertes Metal-Tape in der Waschmachine vergessen. Dann wird das Tempo zurückgenommen. „Give Me Your Ancestor“ wirkt, als sei auf einem orientalischen Basaar aufgenommen worden und man hat den Eindruck, als ob frühe Kinit Her Muslimgauze covern würden – ist das jetzt ein besonders schwerer Fall von cultural appropriation? „Hearts Melt In Horror“ alterniert zwischen getragenen Passagen und Momenten, die einen denken lassen, John Zorn sei zum Jammen vorbeigekommen. “The Boar“ ist eine fast schon melancholische Folkballade mit gezupfter Gitarre und Flöte, die mit in der Ferne tönenden Chorälen ausklingt. Das Titelstück mit seiner stampfenden Perkussion und den Gesängen hat wieder stark rituellen Charakter. „Hammering a Nail Into Space“ schließt das Album mit Orgelklängen ab.
Wenn Ak’chamel auf ihrer Facebookseite schreiben: “Dark times calls [sic] for darker music”, dann lässt sich nach dem Hören dieses Tapes sagen, dass diese von ihnen gespielte “dunklere” Musik sicherlich zu den originelleren Sondtracks unserer Tage gehört. (MG)