THE MYSTIC UMBRELLAS: Journey to the West

In einer der berühmtesten Passagen aus Eliots Four Quartets (aus „Burnt Norton“) heißt es: “Time present and time past/Are both perhaps present in time future,/And time future contained in time past./If all time is eternally present/All time is unredeemable”. Oder etwas profaner und verkürzt(er), wie es am Ende der phänomenalen dritten Twin Peaks-Staffel heißt: „The past dictates the future“.

In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht worden, in denen es aufgrund des verwendeten Klangmaterials um das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart geht: Von William Basinskis Kompositionen aus jahrzehntealten Tapeloops (jüngst noch auf „A Shadow in Time“) bis zu der „Haunted Ballroom“-Musik von The Caretaker. Und auch „Journey to the West“ von The Mystic Umbrellas besteht aus/basiert auf Aufnahmen der Vergangenheit.

Mark Valentine, der Mann hinter The Mystic Umbrellas, ist eigentlich bekannt(er) als Büchersammler, Autor unheimlicher Literatur und Kenner obskurster literarischer Werke, wie er z.B. im von ihm herausgegebenen Magazin Wormwood oder jüngst noch auf A Country Still All Mystery unter Beweis gestellt hat- kurz: er ist jemand, der von Büchern “heimgesucht” wird. Valentine hat aber auch Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger Musik aufgenommen, die seine literarischen Interessen und seine Grunddisposition widerspiegelt, vorwegnimmt. Das kurze Titelstück entstand 1979 auf einem Spielzeugharmonium. In den Linernotes heißt es, dass der Zwanzigjährige, der diese Aufnahmen gemacht hat, nichts von Musik verstanden habe, aber eine „mystische Sehnsucht“ zum Ausdruck habe bringen wollen. Und die simplen Melodiefolgen lassen tatsächlich vor den Augen des Hörenden eine Klanglandschaft entstehen, die etwas Außerweltliches hat. „Further to the West“, eine erweiterte, und (Jahrzehnte später) umfangreicher instrumentierte Fassung des Titels, ist verrauschter, versetzt den Hörer für zwanzig Minuten in eine mystische, leicht pastorale Landschaft, der aber dennoch ein Moment des leicht Unheimlichen innewohnt, ganz so, als würden gleich Arthur Machens „little people“ um die Ecke schauen. „Rainsboroughs Grave I“ wird von Vogelzwitschern eingeleitet. Dann setzt in der Ferne Dröhnen ein. Nach etwa fünf Minuten kommen flächige Keyboardsequenzen hinzu.  Der zweite Teil ist entspannter, ganz so, als stehe man in der Erwartung des Sonnenaufgangs auf der Heide. Folk Horror, Hauntology sind Schlagworte und Kategorisierungen, die einem bei dieser Musik schnell einfallen, aber letztlich sind das Anachronismen und Vereinfachungen. Wir befinden uns einfach in zeitlichen und klanglichen Borderlands. Valentine selbst spricht in den umfangreichen Linernotes von dem Verlangen danach, „das Ungesehene zu erkunden“, vom “zerbrechlichen Kontakt von einem Bereich zu einem anderen, über Dimensionen hinweg“.

„Journey to the west“ ist  aber auch nicht frei von Humor; etwa dann, wenn Valentine erklärt, wie es zum Projektnamen kam: Die titelgebendende Reise nach Westen führte ihn und einen Schulfreund nach Glastonbury. Im Dialog der beiden im Nieselregen stehenden Freunde heißt es: „Well, here we are, in quest of mythic enlightenment.“. „And an umbrella“ retorted Graham. „Or better still, a mystic umbrella“, I’d said.” Das Heilige und Profane dicht beieinander. (MG)

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