FUTURO DE HIERRO: Paso en el Vacío

Wie viele Musiker, die auch als Veranstalter und Labelbetreiber auftreten, ist Viktor Hurtado aus Barcelona ein leidenschaftlicher Kollaborateur, in der Vergangenheit berichteten wir über Huan, sein dröhnendes Duett mit Jochen Arbeit, sowie über Ordre Etern, seine wuchtig-perkussive Post Industrial-Band, die wohl fürs erste auf Eis gelegt scheint. Futuro de Hierro ist eines seiner raren Soloprojekte, und mit diesem schickt er sich an, neue Kombinationsmöglichkeiten des Treibenden, Schweren, Dunklen und Atonalen zu erforschen.

„ No et Pots Fer En Rerre“ – „Sie können nicht zurück gehen“ – heißt das erste Stück auf Katalanisch, das einen mit verzerrten Schleifgeräuschen direkt in die Mitte des Geschehens wirft, in dem aggressive Highspeed-Rhythmen und darüber gepfropfte proklamatorische Brüllvocals wie ein Hybrid aus The Klinik und Non die Gehörgänge malträtieren. Ein unerbittliches Stück, denn sobald man sich an einen bestimmten Lärmlevel gewöhnt hat, kommt etwas neues, lauteres hinzu. „Veces Somos Uno“ ist über weite Strecken das Gleiche in gebrochenerer, hektischerer Form, doch schamanisch beschwörender Gesang dämmt die Noise-Überflutung etwas ein.

Zwischen den beiden LP-Seiten gibt es eine vage konzeptuelle Trennung, denn der stark rhythmische Schwerpunkt existiert auf der zweiten Seite so nicht. Der Titeltrack, der unterschwellig rauschend und rumpelnd beginnt, wirkt anfangs wie ein Zwischenspiel, erst durch hallunterlegte Shouts, die schnell in von Noiseblitzen durchzuckte Schmerzensschreie übergehen, entpuppt es sich als zentrales Stück. Merkwürdig irreal das finale „No Hay Final“, dessen immer mal ins Stocken geratender Takt diesen Esplendor Geometrico- und Throbbing Gristle-Wiedergänger verfremdet und noch stärker geraten lässt. “Es gibt kein Ende” lautet der Titel auf deutsch, und man weiß nicht – und soll vielleicht auch nicht wissen – ob dies eine Drohung oder eine Verheißung ist.

Futura de Hierro hat einen starken Fokus auf Vocals, und wer des Spanischen und des Katalanischen nicht mächtig ist, muss sich mit dem mitreißenden Effekt der dramatischen Stimmarbeit begnügen. Wenn mich meine rudimentären Kenntnisse nicht täuschen, wird im Verlauf immer wieder der intensive Moment als initiatorischer Akt, der titelgebende “Sprung in die Leere” und das freiwillige Leid als Auftakt der persönlichen Transformation beschworen – und ich wette, dass das ohne jeden New Age-Kitsch vonstatten geht. Abgesehen davon wird hier einmal mehr klar, dass viele längst klassisch gewordenen Motive der jahrzehntelangen Industrial-Nachwehen immer noch für innovative Ideen taugen. (U.S.)

Label: Màgia Roja / Opal Tapes