THE GREAT PARK: Understudy

Für den Folkmusiker Stephen J. Burch alias The Great Park war 2017 ein produktives Jahr mit vielen Konzerten, die z.T. mitgeschnitten und auf CD erschienen sind, sowie bereits im Frühjahr ein Studioalbum namens “Do Not Walk Under Wing”. Ein zentrales Merkmal der darauf enthaltenen Songs war, neben der betont spärlichen Instrumentierung, textlicher Natur, denn fast alle der Lyrics drehten sich um Themen der Distanz und des Verlassens, und der oft ambivalent bleibenden Versuche, nach Hause zurück zu kehren. England spielte eine Rolle, so dass man bei dem im Fränkischen ansässigen Musiker über einen autobiografischen Grundtenor spekulieren kann, und insgesant war das Album eher dunkel und malancholisch ausgerichtet.

Noch vor Jahresende ist nun dessen Nachfolger “Understudy” erschienen, das in vieler Hinsicht eine Fortsetzung des Vorgängers ist. Burch, der mit Alben wie “Now Wash Your Hands” und “Good and Gone” demonstriert hatte, dass er durchaus mit opulenteren Bandsounds und ausgearbeiteten Produktionen klar kommt, setzt hier erneut auf schlichte Arrangements: Alle Stücke wurden ohne große Instrumentierung in einem Zug eingespielt, neben seiner Stimme und der dezenten Akustikgitarre ist nur hier und da ein bisschen Perkussion mit dem Schuh auf dem Dielen zu hören. Und auch wenn diesmal nur ein Teil der Songs komplett aus Burchs eigener Feder stammt (gut die Hälfte sind der Sammlung “Best Loved American Folk Songs” von John und Alan Lomax entnommen und unterschiedlich stark bearbeitet worden), knüpfen die Motive der Texte fast nahtlos an das vorige Album an.

Den Auftakt macht gleich einer seiner stärksten Songs der letzten Jahre: “Soldier Johnny” basiert auf dem amerikanischen Folksong “Johnny Has Gone For A Soldier” und erzählt, begleitet von wehmütigem Fingerpicking, die Geschichte einer missglückten Heimkehr – missglückt deshalb, weil es für das lyrische Ich überhaupt nicht klar ist, ob es nach Jahren im Krieg seinen Herkunftsort noch als Zuhause empfinden kann und somit unsicher ist, ob es überhaupt nachhause will und sich all den möglichen Veränderungen zu stellen in der Lage ist. Einige der folgenden Songs handeln von einer solchen Schwelle, auf der der sich die balladesken Figuren sich vor und zurück oder gar nicht mehr bewegen, am eindringlichsten vielleicht in “While I was Sleeping”, das auf dem Folksong “Brave Wolf” basiert und die Frage stellt, was aus dem geworden sein mag, das man zurückgelassen hat – will man die Antwort wissen?

Burch bläßt aber auf “Understudy” keineswegs nur Trübsal, zumindest insofern, dass vielen der Stücke eine üppige Portion schrägen Humors beigegeben ist. Am stärksten in der Hinsicht ist sicher das bluesangehauchte “Bold Boy”, das ein Hase und Igel-Spiel mit dem Schicksal besingt und darin an klassischen Songs wie das Spiritual “Sinnerman” oder “Oh Coal Black Smith” erinnert: “What you gonna do when your luck runs out bold boy/what you gonna do when your luck runs out/grab me a bottle and drink it on down be a bold boy [...]/what you gonna do when the bottle runs out bold boy/what you gonna do when the bottle runs out/chase these women all over town and be a bold boy” u.s.w. Andere wie das fast heitere “Black-eyed Susie” lassen seltsame Charaktere auftreten, andere wie “Shorty George” erzählen makabre Geschichten, und der Titelsong lässt zwischen seinen beschwörenden Akkorden ein paar deutliche Hoffnungsschimmer durchscheinen.

The Great Park ist ein Projekt, das – unabhängig davon, ob Burch gerade solo oder mit Begleitung unterwegs ist – stark über die Texte kommuniziert, und in ihnen unterscheiden sich die Konzepte einzelner Alben und Werkphasen meist am stärksten. Oberflächlich betrachtet bleibt die musikalische Gewandung – die sanfte, manchmal etwas heißere Stimme, die mal schmettert, mal nah am Erzählmodus bleibt, die simplen Figuren auf der Gitarre zwischen wehmütigem, balladesken Fingerstyle und galoppierendem Schrammeln – konsequent beim Altbewährten. Gerade auf “Understudy” scheint jedoch ein traditioneller Songstil durch, der sich auf früheren Aufnahmen kaum findet, und wer in der letzten Zeit seine Konzerte besucht hat, weiß, dass Burch da noch einiges mehr auf Lager hat. (U.S.)

Label: Woodland Recordings