URUK: I Leave a Silver Trail Through Blackness

Ich habe nicht den Anspruch, dass Plattencover die Atmosphäre einer Musik perfekt illustrieren und ein ähnliches ästhetisches Erlebnis im anderen Medium inszenieren. Umso mehr freue ich mich, wenn es trotzdem passiert, wie z.B. beim Debüt von Uruk. Der Blick fällt auf etwas, das mit etwas Fantasie wie eine Flucht von hintereinander liegenden dunklen Räumen aussieht, die aufgrund der Perspektive wie ineinander verschachtelt wirken. So einfach das Setting auf den ersten Blick anmutet, enthält es doch eine Menge an kleinen Details, bunten Punkten, die wie ein an die Wände gemaltes Publikum erscheinen. Am Ende der Flucht, in die man wie von einem unerklärlichen Sog gezogen wird, prangt ein Symbol an der Wand, das an eine Schlange oder ein unfertiges Fragezeichen erinnert. Ob man es noch entziffern wird? In der Momentaufnahme ist das Bild so unbestimmt wie der gut vierzigminütige, vielschichtige Track, der das Album ausfüllt.

Doch zunächst von vorn, denn Uruk hat insofern eine Vorgeschichte, dass es sich hier nicht um ein Duo unbedarfter Ambientdröhner handelt. Hinter dem Namen der wohl ältesten Stadt der Menschheitsgeschichte verbergen sich keine geringeren als Massimo Pupillio (Zu, Laniakea, Triple Sun) und Tim Lewis a.k.a. Thighpaulsandra (solo, Spiritualized, Coil, UUUU), die gerade in jüngster Zeit immer wieder in neuen Konstellationen auftreten, und fast meint man, den noch warmen, immer wieder aktualisierten Erfahrungsschatz der beiden hier mit Händen greifen zu können.

Dabei beginnt alles erst einmal recht sanft und übersichtlich: Flächige, angenehm vibrierende Klänge von leicht angerauhter Beschaffenheit breiten sich wolkengleich in einem großen, leeren Raum aus, scheinen langsam dessen Wände auszumalen. Streckenweise gerät der Sound so dünn und filigran, dass er an kleine Geräusche gemahnt, die sich in vermeintlicher Stille Gehör verschaffen. Genau dies intensiviert sich nach einigen Minuten, zusammen mit der stärker werdenden Vibration, und irgendwann bemerkt man, dass in der ganzen Gemächlichkeit von Beginn an etwas Unaufhaltsames steckte, das sich alsbald entlädt: in Bassknarren und Saitengekratze, in rumpelnden Objekten, die durch den Raum fliegen, in dunkles, coiliges Rumoren. Immer konkreter werden die Details, kantige, klirrende Ereignisse entpuppen sich als rotierende Propeller und Peitschenknallen, nicht zuletzt als trashige Gewehrsalven aus einem Computerspiel. Aus all dem ein klares Setting oder ein griffiges Narrativ herauszudeuten, bleibt unmöglich, zumal all die zahlreichen Details immer wieder vom Fluss der flächigen Klangbewegung mitgerissen und veredelt werden. Bei all dem sind Uruk keine Freunde der Monotonie, denn auch wenn sich hier und da kurze repetitive Muster ergeben, löste sich doch alles schnell wieder im Unbestimmten und Unberechenbaren auf.

Wenn das Debüt von UUUU wie ein wilder, ungestümer Wechselbald von Thighpaulsandras letztem Album klingt, dann ist Uruk so etwas wie sein dunkler, mysteriöser Wiedergänger, der einen des Nachts heimsucht und auf eine magische Klangreise mitnimmt. Auch Pupillios Handschrift ist deutlich zu erkennen, wenn man die ungewohnt rituelle und ambiente „Jhator“ von Zu bedenkt oder sein droniges Zusammenspiel mit Oren Ambarchi. (U.S.)

Label: Consouling Sounds