ROWAN COUPLAND: Circuit

Nach einem ersten Eindruck von der Musik Rowan Couplands bleiben vielleicht die keltische Harfe und der Falsettgesang als Markenzeichen in Erinnerung, doch der britische Sänger und Multiinstrumentalist, der seit Jahren in Berlin lebt, hat weit mehr als dies in seinem Repertoire. Coupland spielt mehrere Saiteninstrumente, ist als Songwriter ein Kenner feiner atmosphärischer Zwischentöne und hat eine gute Hand für Begleitmusiker und ausgewähle Orte, die als Konzert- und Aufnahmelocations zu seiner Musik passen. Man rechnet diese gern dem Folk zu, eine recht allgemeine Kategorie, die weit gefasst natürlich nicht falsch ist, und als Fan der Musik von Shirley Collins und Anne Briggs hätte er sicher nichts dagegen, mit dieser Tradition in Bezug gebracht zu werden.

Sein vor einigen Monaten erschienenes Album entstand bereits vor drei Jahren, wurde an unterschiedlichen Orten – seiner Wohnung, dem Hinterzimmer eines kleinen Plattenladens, einer kleinen Kirche in Brandenburg – aufgenommen, doch Coupland, der wahrscheinlich seinen Konzerten einen etwas höheren Status beimisst, hatte es nicht eilig, und entschied sich erst zu dem Self-Release, als er in der Illustratorin Eva Dominelli eine passende Partnerin gefunden hat. In ihrem humorigen, teilweise aber auch düsteren Kinderbuchstil in sanften, meist warmen und “organischen” Farben hat sie den Texten und der Musik in einem zwanzigseitigen Booklet ein passendes optisches Pendant zur Seite gestellt.

Eine anheimelnde Stimmung durchzieht die surrealen Zeichnungen und die kindlich anmutende Schrift in dem schön gestalteten Büchlein, und sie findet ihre Entsprechung in vielen der Songs, bei denen alle Wehmut dezent bleibt, niemals in bitteren Kitsch abgleitet, und Raum für Genügsamkeit und Frohsinn bleibt. “Circuit” beginnt mit einer besinnlichen Celtic Harp, auf den ersten Blick scheint der Opener zu mäandern, doch es schwingt auch ein Element des Unruhigen mit. Wenn Couplands klare Kopfstimme einsetzt, schmiegen sich die gezupften Figurinen wie ein sanftes Tuch um die Verse, werden dichter und dominanter in den Gesangspausen, scheinen die Worte zu verschlucken und für Augenblicke in Wärme zu wiegen. Elegant drehen sich die Lyrics um Zärtlichkeit, um ein Zuviel, das verletzt, ein Zuwenig, das verdursten lässt, suchen die Gradwanderung, finden sie im Offenlassen, und irgendwie scheinen die musicalartigen Streicher buchstäblich zu unterstreichen, dass das genügt. In dem altfolkigen “Muscle Memory” mit seinem behenden Finger Picking wird Coupland diese Technik wiederholen.

Seine Vocals erinnern manchmal an Gesangsstile aus Renaissance und Barock, aber wie viele gute Countertenöre setzt er auf Variation, auch wenn das bei der unmanirierten Lowbrow-Darbietung weniger auffallen mag als bei klassischen Sängern oder bei abenteuerlustigen Exzentrikerinnen wie Baby Dee. Oft, wie bei “Bubblegum” mit seinem leicht angejazzten Django Reinhard-Feeling bewegt sich Couplands Gesang nah an Spoken Words, doch an akzentuierten Stellen winden sich immer wieder hochtönende Melodien wie kleine wellenförmige Ornamente aus dem sanften Fluss der Worte heraus. Einige Beigaben wie die dunkle Klarinette im tremolierenden “A Silhouette” oder der mehrstimmige Gesang im von flinken Ukulele-Akkorden getragenen “Riding” markieren besondere Momente, und wenn ein Song wie “The Canadian Whole Earth Almanack”, ein an Bill Fay erinenrndes Kunstlied für Klavier und Gesang vordergründig ganz aus der Art schlägt, lässt dies die Grundstimmung der Platte nur umso deutlicher durchscheinen.

Mir ist nicht bekannt, welche Auflage die Limited Edition mit dem Booklet hat, aber Gerüchten zufolge sollen noch einige Exemplare erhältlich sein. Diese – und die Musik allein – sind über Couplands Bandcamp-Seite zu haben. (U.S.)

Vertrieb: Rowan Coupland