Ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, dass die auf Galakthorrö veröffentlichenden Künstler nicht nur klangliche Gemeinsamkeiten haben – meistens eine Fokussierung auf analoges Instrumentarium im Spannungsfeld von Angst Pop und Power Electronics-, sondern es auch thematische Konstanten gibt: so etwas wie eine Konzentration auf das (scheinbar) Abseitige, eine Abarbeitung an den Nachtseiten der menschlichen Existenz. Auf jeder Veröffentlichung des kleinen Labels scheint das Bataillesche Heterogene, der verfemte Teil um die Ecke zu schauen und die Künstler wählen oftmals Personae, in denen sie Verwundete wie auch Verwundende sind.
All das spiegelt sich auch auf dem zweiten Album des Einmannprojekts Herz Jühning wider: Von den Sektions- und Krankensaalbildern, die das Booklet zieren, bis zu dem die Titel und Texte durchziehenden Pathologievokabular („Metastase“, „Koma“, „Pain sets in“). Der hier beschriebene „Kreislauf“, auf den der aus dem Sanskrit stammende Begriff “Samsara” verweist, ist auf diesem Album einer des Leidens („Pain Sets In“, „Echoes Of Void“), Tötens („Blood Will Boil“), Sterbens („Metastase“) oder Vor-sich-hin-Vegetierens („Koma I -Army of Misery“, „Koma II-Abschalten“). Musikalisch wird dies alles illustriert durch brummende Analogschleifen, teils stampfende Beats mit zischenden Sounds und melancholischen Flächen im Hintergrund (wie bei „Blood Will Boil“). Der Gesang changiert – manchmal innerhalb eines Stückes (wie z.B. bei „Kreislauf“ oder „Phantom Pain“) – zwischen dementem Geschrei („Pain Sets In“) und Melodik. Auf „Corona“ oder „Metastase“ zeigt Jühning aber, dass er auch die Zurückhaltung beherrscht. Unheimliche, kaum zu verortende Stimmen durchziehen „Dead Air“, auf dem es passenderweise „help us/we are shadows“ heißt. Was auf dem ganzen Album auffällt, ist, wie sich Jühning nicht auf das Auratische des analogen Instrumentariums verlässt und ansonsten ideenlos ist, sondern wie er vielschichtige Stücke kompioniert, auf denen man immer wieder neue Klangspuren und Texturen entdecken kann.
Jetzt mag der eine oder andere die Einseitigkeit beklagen, mag zumindest nach Hoffnung(sschimmern) verlangen (die sich allerhöchstens im melancholischen Abschlusstrack „Wiedereintritt“ finden), aber letztlich sind das Forderungen all derjenigen, die Träumen anhängen, in denen „conceits/And self-protecting ignorance congeal/To carry life“ (P. Larkin) und die Verdrängungsmechanismen anwenden, die vergessen lassen (sollen), dass wir letztlich lediglich „hunks of spoiling flesh on disintegrating bones“ (T. Ligotti) sind. Man muss kein Antinatalist sein, um zu glauben, dass die adäquateste Repräsentation der menschlichen Existenz zwei gegeneinandergerichtete Spiegel sind, in denen sich ein Bild aus Bacons „Studien nach Velázquez“ (vulgo: Seine schreienden Päpste) tausendfach widerspiegelt. Insofern ist “Samsara” nicht der schlechteste Soundtrack. (MG)
Label: Galakthorrö