RUDOLF EB.ER: Om Kult – Ritual Practice of Conscious Dying Vol. I

Rudolf Eb.er, früher bekannt unter dem Projektnamen Runzelstirn & Gurgelstøck, arbeitet seit vielen Jahren an einem rituellen Konzept zur psycho-spirituellen Reinigung und zur Überwindung des menschlichen Egos. Die Soundperformances des im japanischen Osaka lebenden Schimpfluch-Veteranen, die auch auf Tonträger ihren prozessualen Charakter wahren, stehen in unterschiedlichen Traditionen vom Tantrischen Buddhismus bis zu verschiedenen schamanischen Praktiken.

Eb.ers frühe Prägung durch Kunstrichtungen wie den Wiener Aktionismus ist auch heute noch in all seinen Arbeiten auszumachen, und bei den nicht selten grotesken Sounds und Tracktiteln Marke „Kotschleuder“ kommt bei vielen die Frage auf, wieviel Humor auch darin steckt. Dass die morbide, transgressive Seite seiner Arbeiten allerdings nicht nur ein Rest westlicher Subkultur ist, ahnt jeder, der sich mit den entsprechenden Quellen etwas näher befasst hat.

Auf dem vor vier Jahren erschienenen Album „Brainnectar“ ging es um die aus dem Tantrismus stammende Idee einer psychischen Energie, die sich im Gehirn in Nektar verwandelt und durch ihr Tropfen Geist und Körper transformiert – der gerade erschienene erste Teil seines „Om Kult“-Tryptichons, der sich als Übung zum bewussten Sterben im Sinne der tibetischen Phowa-Meditation, zur symbolischen Erfahrung der Auslöschung des Geistes und der Kompostierung des Körpers versteht, knüpft in vielfältiger Weise daran an. In der Hauptsache besteht das zu Cut-up-Kollagen montierte Soundmaterial aus Feldaufnahmen, die Eb.er in der japanische Natur, in Wäldern und Bächen, aber auch an den Abjekt-Orten der Zivilisation wie Mülldeponien aufgenommen hat. Rauschendes und tropfendes Wasser, v.a. aber das vibrierende Summen von Fliegen und anderen Insekten, leicht interpretierbar als Symbole des Verfalls und des ständigen Werdens und Vergehens, bilden ein Hauptfundament der oft hörspielartigen Klangarbeit, knackende Feuer und Ähnliches kommt hinzu. An vielen Stellen wird das alles subtil zu hintergründigem Dröhnen verfremdet, zu einem dunkel brummenden, organischen Fundament, das sich stets in einer Weise wandelt, dass man sich im Auftakt zu etwas Infernalischem wähnt, das gerade dabei ist, sich zusammen zu brauen.

Ohnehin ereignet sich auf diesem Fundament noch einiges mehr: ratternde Motoren, mysteriöse Tierstimmen, menschliches Gemurmel, das an Beschwörungsformeln erinnert, hektischer, fast monströßer Atem, Gongs und andere rituelle Klangquellen, rückwärts eingespielte Passagen und andere technischen Tricks, plötzliche Einbrüche von purem Lärm – all dies verschwimmt bei oberflächlichem Vorbeiziehen schnell zu einem diffusen Mischmasch, erweist sich bei der angemessenen Konzentration jedoch als ungemein imaginationsinduzierend.

Label: Om Kult / Schimpfluch Associates