OCTAVIO: Earnest Lie

Immer wieder begegnet man kreativen Arbeiten, die wie aus Zufall entstanden wirken, und die doch eine innere Stimmigkeit aufweisen, von denen manch ein durchkonzipiertes Erzeugnis nur träumen kann. Beim bislang einzigen Tape des in Berlin lebenden Argentiniers Octavio Garabello darf man kein Soundfanatiker sein und sollte den Lofi-Charm nonchalanter Homerecordings würdigen können – unter dieser Voraussetzung kann man eine launige Kollage fragmentierter Songgebilde im Beach Boys-Style genießen, die sich schnellals musikalischer Anti-Bildungsroman entpuppt, und obendrein als eine ironisch verdrehte Hommage an vergangene Tage der Rock- und Popmusik, wie sie bislang nur Novy Svet mit “A Mort” zustande gebracht haben.

Octavio, der vor zehn Jahren aus Buenos Aires nach Europa zog, ist Maler und betreibt die Musik – seit den Tagen seiner Psychedelic-Gruppe Hipnoflautas – nur als Hobby, mit dem er echten und fiktiven Alltagsblues verarbeitet, und die Parallelwelt der Neuköllner Kreativszene, in der beinahe jeder Musiker, Künstler, Kurator und dergleichen ist, gab dem Stoff wohl immer wieder neue Nahrung. Dort etablierte sich auch die Freundschaft zum Label Das Andere Selbst, das auf eine Aufnahme und Veröffentlichung seiner Songs wohl – zurecht – geradezu gedrängt hat.

Ein “hello, hello, hello”-Chorus aus einem imaginären Kalifornien eröffnet die erste Seite, und wenn sich Barpiano und Rythm’n'Blues-Takte hinzugesellen, wird schnell klar, dass man sich bei beiden Tracks auf eine augebzwinkernde Zitatsurferei durch das Warenhaus der Rockgeschichte gefasst machen darf, die jeder prätentiösen Retromanie abholt ist – “I just follow what’s in my heart”, könnte man Octavio zitieren, in dem cool verbummelten Tonfall, den er anstimmt, wenn er von spacigen Schweineorgeln zu Cha Cha Cha, von Bluesgitarren zu Folkstrumming oder (kurz nachdem man meint, für Sekunden Iggy Pop zu halluzinieren) von Synthie-Harmonien zu Rockabilly übergeht. Diese Übergänge sind meist recht spontan und plötzlich, außer dann, wenn man damit rechnet, und das ist nur ein Kunstrgiff, der das Tape von jeder Langeweile fernhält. (U.S.)

Label: Das Andere Selbst