BLACK TO COMM: Seven Horses for Seven Kings

Man mag es nicht glauben und zunächst für taktische Tiefstapelei halten, aber “Seven Horses for Seven Kings” ist das Resultat einer großangelegten Resteverwertung. Marc Richter, der Mann hinter dem seit Mitte des vorigen Jahrzehnts bestehenden Projekt Black To Comm und nebenbei Chef des Dekoder-Labels, hat nach seinem noch eher ambienten selbstbetitelten Album (Type Records 2014) primär Auftragsarbeiten angewandter Musik produziert. Aus all denjenigen Passagen, die dafür zu dunkel und apokalyptisch ausgefallen sind, entstand der Rumpf dieses monumentalen Werks, das sich wie wenige andere soundorientierte Arbeiten kaum auf eine griffige Formel bringen lässt.

Aufwühlend und von einer erratischen Unruhe befeuert führen schon die ersten Takte von “Asphodel Mansions” ins Zentrum des Geschehens und in ein Setting, das mit seinen bildreichen Tracktiteln und den oft nur schwer zuzuordnenden Samples und Instrumentalbeiträgen eine mythische und zugleich bizarr-surreale Färbung trägt. Über rituell rasselnde Metallteile a la Xenakis und allerlei versteckte Karambolagen verbreitet sich eine unruhige Schicht schräger Bläser, die mal nach Horn, mal nach Saxophon klingen und sich wiedergängerhaft durch viele der dreizehn (bzw. beim Download vierzehn) Tracks ziehen – über heiseren Atem, Perkussions-Salven und tastendes Gitarrenpicking in “A Miracle No-Mother Child at your Breast”, selbst quietschende Salven herausstoßend über ein wie durch getöntes Glas vernommenes Rumoren in “Licking the Fig Tree”, in desolaten Molltönen über den rhythmisch verhallten Noisequadern in “Fly on You”.

Wie oft bei solcher Musik intensivieren sich die Stücke oft in Intensität, Fülle und Tempo, steuern auf echte und imaginäre Höhepunkte und Ausbrüche zu, doch Richter ist in all dem stets Meister des Trügerischen: Äußerst plötzlich kommt der lärmende Ausbruch im vermeintlichen Dronestück “Ten Tons of Rain in a Plastic Cup”, kaum über den Weg traut man dem entspannten Score in “Double Happiness in Temporal Decoy”, nachdem zuvor tiefe Klaviertasten die Nerven mit Spannung malträtiert haben. Trotz furioser Trommelwirbel entpuppt sich “Semirechye” als echter Downer.

Dunkler Ambient, organischer Drone, Ritualsound, abstrakter Noise, angejazzter Postrock: Alles trifft zu und ist zugleich blanker Hohn angesichts dieses Sturmes, der über ödes Land fegt. Mit Nurse With Wound wurde die Musik bereits vergleichen, was den Strudeln aus im Tempo und in der Richtung nie klaren Sounds durchaus gerecht wird, doch wären die Stücke dann eher so etwas wie das schockerstarrte Gesicht der englischen Kultformation, der alle Lust am Schlüpfigen verloren gegangen ist (und an der Stelle kann man beim Artwork von Andreas Diefenbach selbst in die Vergleichskiste greifen und an Francis Bacon (oder an Carmen Burguess) erinnern). Auch von Hauntology (irgendwo auf der Platte soll übrigens qua Sample Nils Frahm spuken) war die Rede, aber diese Referenz passt ja immer ein bisschen, sobald es subtil mehrschichtig und obendrein unheimlich zugeht.

M.E. ist “Seven Horses for Seven Kings” ein nur schwer zu fassendes Stimmungsbild und definitiv eine der größten Überraschungen des noch jungen Jahres. (U.S.)

Label: Thrill Jockey