CONURE: Abschied

Neben seinen mittlerweile rund zwanzig Releases tritt 15 Degrees Below Zero-Musiker Mark Wilson mit seinem Soloprojekt Conure in gewissen Abständen live auf, wobei die noisigen Sets seiner Konzerte allenfalls punktuelle Überschneidung zu aktuellen Studioaufnahmen aufweisen. Sein gerade erschienenes Tape “Abschied” enthält zwei jeweils gut siebzehnminütige Mitschnitte aus den letzten Jahren, die trotz großer Unterschiede die enorme Dichte seiner Musik demonstrieren.

“Wooden Train and Sand”, das die erste Seite ausfüllt, ist der Auszug eines Sets, das vor einem Jahr auf dem polnischen “Come With Us”-Festival aufgeführt wurde, und repräsentiert die subtile, soghafte Seite Conures, dessen Musik immer auch für eine Überschreitung von Genregrenzen innerhalb lärmiger Klänge (Soundart, Noise, Post-Industrial) steht. Trotz des verauschten Brummens, das sich in gebotener Unregelmäßigkeit steigert, schafft der Track eine fast entspannt psychedelische Atmosphäre, die sich durch alle vagen Episoden und Wegmarken – vorübergehendes Stocken, minimale Taktung, hochtönende Tupfer und ein infernalisch prasselnder Abschluss – zieht.

Das 2014 in der Hamburger Roten Flora gespielte “It’s Ready Now” ist in voller Länge dokumentiert und kommt auf ebenfalls rund siebzehn Minuten. Hier wird von Beginn an auf eine breitere Palette an Kunstgriffen gesetzt, der Sound ist kerniger, strukturell geht es stockender, zerfledderter, heterogener zu. Überraschende Eruptionen und allerlei plötzlich hereinbrechende Details monumentaler, rhythmischer und manchmal fast orchestral hochtönender Natur schaffen ein unberechenbares Narrativ, bei dem man stets auf einen Höhepunkt wartet, von dem man beim dröhenden Ausklang nicht einmal wirklich sagen kann, ob er jetzt stattgefunden hat oder nicht.

“Abschied” ist nicht nur als Rückblick auf die Live-Aktivitäten der letzten Jahre ein sehr persönliches Release geworden und steht im Zusammenhang mit persönlichen Verlusterfahrungen der letzten Zeit. Somit darf man auch den Titel des klanglich mehr als soliden Werks nicht als Absage an weitere Konzerte missverstehen.

Label: Low Perspective