CARL STONE: Himalaya

Wie ein Schwamm saugt der leidenschaftliche Welt- und Zeitreisende Carl Stone immer wieder neues Input auf, um aus den unterschiedlichsten Zutaten mit Tape- und Computertechnik überraschend stimmige Musik zu komponieren. Die auf “Himalaya” versammelten Stücke nahm der Elektroakustiker und ehemalige Präsident des American Music Center in den letzten sechs Jahren mit Hilfe von Künstlern aus verschiedenen asiatischen Regionen und einem großen Sack an Field Recordings auf – das Resultat ist der bereits zweite Longplayer seit seinem Studio-Comeback zu Beginn dieses Jahres.

Nach einem ungemein tanzbaren Opener, der wie ein launiges Stück Folkpop aus einer unbekannten Tradition anmutet, findet man sich zunächst in einem merkwürdig aus der Zeit gefallenen Rock’n'Roll-Szenario wieder, bei dem mit einem quaddelnden Blasinstrument, unterschiedlichen Rhythmen und gesampletem Stimmengewirr im Hintergrund sämtliche Register gezogen werden, und wenn das Ganze zum Schluss in einem fast pogotauglichen Uptempo gipfelt, wundert man sich über nichts mehr. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie Rock’n'Roll im (fern-)östlichen Kontext klingen kann, wird hier fündig. Dabei wirkt das Ergebnis bei aller Kollagiertheit unmittelbar, insofern der populäre Sound voll zur Geltung kommt und nicht wie ein durch die akademische Lupe erfasstes Zitat wirkt. Im darauffolgenden “Jame Jam” wird der kuriose 50s-Touch noch deutlicher, doch wenn es im Verlauf hektischer rumpelt, wird klar, dass der immer noch leichte, luftige Sound, zusammen mit den vielen kleinen in Acrimbaldo-Manier montierten Details, der rote Faden der meisten Stücke ist.

Dies ändert sich auch beim siebzehnminütigen funky Ethnopop von “Kikanbou” nicht, doch die beiden finalen Tracks leiten noch einmal um in eine komplett andere – ambiente – Richtung und transzendieren auch den Zeitpunkt des Albums: Aus einer früheren Arbeit namens “Fujiken” ist ein Auszug zu hören mit schwebenden Dronesounds und männlich-weiblichen Gesängen, die fast sakral anmuten. Der abschließende Titeltrack dagegen ist der Auftakt einer für länger angelegten Zusammenarbeit mit der japanischen Sängerin Akaihirume, deren Stimmkunst u.a. zusammen mit dem “Table Turner” Joke Lanz’ bekannt wurde – hier wandelt sich ein fast a capella gehauchter, hallunterlegter Gesang, dessen etherische Sanftheit immer wieder in seltsames Knurren kippt, in einen vom Winde verwehten Sopran und lässt das Album harmonisch ausklingen. Vom angeregten, launig überdrehten Volkstanz des Anfangs ist “Himalaya” hier weit entfernt.

Über den Werdegang Stones, seine Stil- und Soundexperimente und seine vielen Zusammenarbeiten von Z’ev bis eben Akaihirume könnte man ein dickes Buch schreiben. Schlagworte wie Pop, Funk, Rock’n'Roll etc. würden dann an keiner Stelle so gehäuft auftauchen wie im Kapitel zu “Himalaya”.

Label: Unseen Worlds