RENALDO AND THE LOAF: The Elbow is Taboo / Elbonus

Obwohl Renaldo & The Loaf, ganz im Unterschied zu ihren frühen Unterstützern, den Residents, nie ein Geheimnis um ihre Personen gemacht hatten, umgab und umgibt sie bis heute eine Aura des Mysteriösen – so, als wäre ihr schalkhafter Humor, ihre Absage an alle gängigen Stilmuster, ihre Lust am Zweckentfremden aller erdenklicher Instrumente und die daraus entstehenden svankmajerhaften Parallelwelten eine Maske, die die dahinter verborgenen Musiker Brian Poole und David Janssen (a.k.a. Renaldo Malpractice und Ted the Loaf) wie Rollenspieler erscheinen lässt, deren eigentliche Identität nichts zur Sache tut.

Dazu passt, dass sie immer mal wieder in der Versenkung verschwanden und nach einer produktiven Zeit in den 80ern einmal für länger beinahe in Vergessenheit geraten sind. Seit ihrem Comeback, das sich seit dem letzten Jahrzehnt ankündigte, wird wieder mehr von ihnen geredet, und zumindest eines sollte irgendwann in die pop- und subkulturellen Annalen einsickern: Dass Dada im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts auch in England Fuß fasste, ist nicht nur der Verdienst von Nurse With Wound und den Tiger Lillies, sondern auch von Renaldo & The Loaf.

Ihr viertes und für lange Zeit letztes reguläres Album, das 1987 bei Some Bizarre erschien, wurde in einem Zeitraum von drei Jahren aufgenommen und zeigte den Sound der Band von einer weniger rauen und vergleichsweise harmonischen Seite. An gängigen Standards gemessen ist “The Elbow is Taboo”, dessen Inhalt von seltsamen Wortungetümen und anderen verunglückten Formulierungen inspiriert war, aber nach wie vor eine Herausforderung. Bei den donnernden Pauken, auf denen im Opener “A Street Called Straight” zu einer Prozession getrommelt wird, könnte man noch an einen beschaulichen Historienstoff denken – für ein paar Sekunden, denn schon die mittelalterliche Flötenmelodie und erst recht das asiatisch klingende Saitenspiel bringen die Feierlichkeit, die sie erzeugen, zugleich ins Wanken und verpassen der ganzen Szenerie den Anstrich eines ebenso schwindelerregenden wie geheimnisvollen Cultural Jamming.

In “Hambo Hodo” – inspiriert von einer verwitterten “Hamburger and Hotdogs”-Reklame – trifft leicht jodelnder Gesang auf klischeehaftes Urwaldgetrommel, auf “The Bread Song” feiert ein barockes Falsett das Grundnahmrungsmittel Nummer eins, begleitet von Instrumenten, die wie ein Stall voller Tiere blöken, und doch ist all das origineller als bloßer Klamauk, zumal die Band generell ein gutes Händchen für Entertainment besitzt und dieses wahrscheinlich auch ganz ohne schräge, subversive Ironie einsetzten könnte – wenn jemand nur deshalb ironisch ist, weil er nichts Ernsthaftes hinbekommt, merkt man das in der Regel, so jemand nervt schnell, und das ist hier in keiner Sekunde der Fall. Neben besinnlichen Gitarren (“Dance for the Somnambulists”) finden sich von eiernden Takten aufgemischte Nonsense-Melodien (“Critical / Dance”) und spaciger Gesang im Zeitraffer (“Extracting the Re-Re”), und all dies hat die humoreske Aura einer musicalartigen Revue, die man durch einen Türspion betrachtet, bis man bemerkt, dass die ganze Darbietung ein Puppentheater ist.

Vor drei Jahren erschien das Album bereits neu auf CD bei Klanggalerie, ein Riesenbonus war die treffend betitelte zweite Scheibe “Elbonus”, die gute zwei Handvoll Stücke enthielt: Live- und andere Alternativversionen einzelner Albumtracks, Outtakes und Verstreutes aus der damaligen Zeit und so eine weitere Dreiviertelstunde voll trunkener Rhythmen, zirkushafter Melodien, folkiger Exotica, eierndem Harmoniegesang und aufgescheuchter Springteufel aller Art. Gerade wurde das Album in neu gemasterter Form auf zwei LP-Seiten herausgebracht. (U.S.)

Label: Editions Mego