In der NNOI Festival-Reihe werden Aufnahmen von Künstlerinnen und Künstlern veröffentlicht, die auf dem gleichnamigen Festival , “für 12,756 Tonmusik, obskure Lehren & Organ der Weltbauchrednerloge”, gespielt haben (u.a. werden noch Asmus Tietchens und Frieder Butzmann folgen). Den Auftakt macht eine Split-Veröffentlichung: Ditterich von Euler-Donnersperg, Sachwalter des Werkbunds, selbst so titulierter „Knurrhahn“ hat mit den zwischen 1996 und 2014 erschienenen “Pelzwurstliedern”, sogenannten „Reimdichtungen im Geiste Klopstocks mit elektronischem Zuspielband“, originellste, kaum kategorisierbare und von beißendem Humor durchzogene Lyrik herausgebracht. Felix Kubin hat neben zahllosen musikalischen Veröffentlichngen, auf denen auch immer ein absurder Humor deutlich wurde (im Presseinfo heißt es: „„I am a child living in the body of Juri Gagarin.“), eine ganze Reihe von Hörspielen produziert.
Auf der ersten Seite befinden sich acht bisher unveröffentliche Stücke von Euler-Donnersperg, bei denen sich das Ausgangsmaterial, was bearbeitet wurde, nur erahnen lässt: „Krebs im Schlafrock“ beginnt mit einem ratterndem Loop, man hört zerhäckselte Stimmen. Einem Teil der Stücke haftet etwas Fragementiertes an. So auch bei „Kleiner Irrtum“ mit den hektischen Wassersounds, flirrenden Tönen und dann so etwas, das sich wie ein Echolot anhört. Auf „Mit geknickten Dichterschwingen“ hört man einen Loop, der an Jahrmarktsmusik erinnert, auf „Ein letzter großer Seher“ muss man zwischenzeitlich an Vogelkreischen denken. Die drei dann folgenden Stücke nehmen das Hektisch-Fragentierte zurück: „Verlangen, den Regenbogen zu fangen“ ist von ruhigen, kristallinen, flächigen Sounds durchzogen, die teilweise an ein Theremin denken lassen. Auf „Verknausertes Korn“ dröhnt und knistert es. Bei „Angenehm müde“ meint man das Ticken eines Metronoms zu hören, am Ende scheint eine bearbeitete Stimme aufzutauchen.
Kubins Beitrag ist ein langes Stück, das als neuer Soundtrack für den 1924 entstandenen Stummfilm “Entr’acte” von René Clair konzipiert ist. Bei dem Film wirkten damals Erik Satie, Francis Picabia und Marcel Duchamp mit und gerade durch Clairs Einsatz von Effekten wie Zeitlupe und Überblendungen (ein Gesicht starrt einen aus dem Wasser an, ein Papierboot durchpflügt die Dächer von Paris) erzeugt Clair eine durchaus kurios-absurde Atmosphäre (Puppen verlieren ihre Köpfe, der Rock einer Tänzerin scheint eine Blume zu sein, ein Zauberer entsteigt einem Sarg). Der Track beginnt mit kuriosen Knarzen, Brummen, Loops, Fiepen, am Ende meint man ein Sample aus Coils “Things Happen” zu hören – in Passagen ist das durchaus nicht so weit entfernt von manchen Arbeiten Steven Stapletons und von der Stimmung und Herangehensweise ist das ein mehr als passender Soundtrack zu “Entr’acte”. (MG)
Label: 90% Wasser