MATT ELLIOTT: Farewell To All We Know

Auf seinem neuen Album widmet sich Matt Elliott ganz dem einen entscheidenden Moment, dem Wendpunkt, an dem das, was man Leben oder Existenz nennt, einen ganz neuen Kurs nimmt, an dem man Abschied nimmt von der Welt, wie man sie kannte, sich der Endlichkeit aller Dinge bewusst wird und zugleich neuen Anfängen entgegen sieht. Ganz gleich, ob man diesen Moment durch eigene Entscheidungen eingeleitet hat, oder ob er doch eher durch Umstände oder so etwas wie das Schicksal herbeigeführt wurde – er bleibt unberechenbar, und was auf ihn folgt, bleibt ungewiss.

Allen Wendepunkten zum Trotz enthält “Farewell To All We Know”, das von all diesen Fragen wie von einem weitläufigen Wurzelgeflecht durchdrungen ist, viel Vertrautes: Von den feierlich getragenen Gitarrenfiguren, die den Opener nach und nach in einen renaisaancehaften Tanz überführen, über die bedächtigen Instrumentalpassagen am Beginn mancher Songs und dem leidenschaftlichen Flammenco-Strumming bis zur brummbärigen Stimme, die oft nah an Spoken Words, manchmal nah am Flüsterton und immer ganz nah am Ohr erklingt, wird auf bekannte Muster gesetzt, selbst einzelne Melodien scheinen bekannt. Man sollte in all diesen Dingen ein approbates Medium sehen, um den dramatischen Ambivalenzen, die sich auch hier wieder durch das ganze Album ziehen, Ausdruck zu verleihen.

Ein Widerstreit findet sich oft dann, wenn wie bei “Farewell To All We Know” Elliotts Gitarrenspiel Höhepunkte der Aufgewühltheit erreicht, während die entrückten Tupfer des oft hintergründigen Klaviers eine dem entgegengesetzte Vorsicht walten lassen. Nichts würde besser zu dem Text über einen ungewissen Aufbruch passen. “From this day on/Till the end of time/I’m going to leave all my grief and woes behind” heist es schon klarer und entschiedener in “The Day After That”, aber den schönen spanischen Gitarrenakkorden folgt ein geradezu apokalyptischer Wind, der den Song wie einen endzeitlichen Schauplatz durchweht. Doch am Ende des Sturms bleibt einiges bestehen, und die Gitarre schrammelt immer kämpferischer mit jeder Textstelle, an der der eine entscheidende Tag besungen wird. Im geisterhaften “Can’t Find Undo”, das viele mysteriös rumpelnden Geräusche enthält, geht es noch dramatischer zu.

Dass der Einsatz einzelner Instrumente dem Text und dem Gesang folgt, ist fast schon so etwas wie ein Leitmotiv des Albums. In “Hating the Player, Hating the Game” unterstreicht das Cello erneut den wichtigen Moment, das “now”, mit seinem fast morbiden Summen. In “Guidance is Internal” akzentuiert die verwunschene Violine, die stets an der Kippe des Ausbruchs stehend an die besten Momente von Sieben erinnert, das Gefühl eines unruhigen Drängens. In mehreren Stücken ist es der Goldregen des Pianos, der atmosphärische Wendpunkte einleitet.

Kann man “Crisis Apparition” als Herzstück des Albums bezeichnen? Dornige Gitarren kleben hier an einem bewusst provisorisch gehaltenen Chanson-Gesang, lassen nach Bildern von Feuer und Flammen deutliche Ausrufezeichen in der Musik entstehen und leiten wie ein letztes Aufbäumen in die tröstende Ruhe des Schlusstracks “The Worst is Over” über, bei dem sich all die Unruhe wie noch einmal aufgewehtes Laub legt.

Label: Ici d’ailleurs