LAGOSS: Imaginary Island Music Vol 1. Canary Islands

Das vor kurzem gegründete Trio Lagoss ist unmittelbar verknüpft mit den Kanarischen Inseln und v.a. Teneriffa, wo alle Mitglieder zuhause sind – Gonçalo F. Cardoso, der neben Acts wie Gonzo und Papillon das Label Discrepant betreibt, aus eigener Wahl, Mladen Kurajica und Dani Tupper, die außerdem die Band Tupperwear betreiben, qua Herkunft. Mit “Canary Islands” haben die drei gerade den ersten Teil einer “Imaginary Islands”-Reihe herausgebracht, und wer besonders Cardoso und sein Label kennt, ahnt wahrscheinlich, dass eine Hinwendung dieser Leute zur Topographie, Tradition und Folklore der Kanaren kaum auf eine ethnologisch seriöse Bestandsaufnahme hinauslaufen kann, sondern Anlass für jede Menge abenteuerlicher Fiktion der schrägen Art ist.

In den Liner Notes vergleicht die Band ihr Debüt mit einem schizophrenen Stimmungs-Buch, was angesichts der über fünfzig meist sehr kurzen Tracks, in denen sich die widersprüchlichsten Soundkontraste tummeln, keine schlechte Beschreibung ist. Folkiges im engeren Sinne darf man nicht allzu sehr erwarten, zumindest könnten einem ansonsten die ratternden Motoren, die springenden Federn, das finstere Gebrummel, das viele Passagen grudiert, und die surreale Zittrigkeit, die an ein mechanischen Puppenhaus mit Nurse With Wound-Flair erinnern, ordentlich irritieren.

In diese eher metallenen Sounds, die sich immer wieder quer über das Album verteilt finden und bei denen die Devise Loop is King herrscht, mischen sich aber immer wieder natürliche Geräusche (plätscherndes Wasser, Schritte u.v.m.) und durchaus folkige Musikeinsprengsel ein: diverse Instrumente, vielleicht ein Akkordeon, vermutlich von unzähligen alten Platte gesamplet, andere Beigaben, die an klassische Stummfilmsoundtracks erinnern oder weibliche, afrikanich anmutende Chorpassagen, die durch die Ritzen einer sicher nicht zufällig gerade hier eingespielten Perkussionseinlage dringen. Überhaupt tritt alles klassisch anmutende immer vor dem Hintergrund eher herausfordernder Kontraste in Erscheinung, seinen es hektische Technorhythmen, ein elektrifiziertes Voigelkonzert, wirre Raumklangspielereien, die sämtliche Sounds mitmehmen und verändern, und vieles mehr. German Army hätten das nicht besser hinbekommen.

Lagoss setzen auf reine Atmosphärik und und erschaffen ein fiktives Archipel, dessen Folklore auf Exotica und Retrovantgarde aufbaut und für weniger spielerisch eingestellte Zeitgenossen wie eine beängstigende Heterotopie anmuten muss. Auf weitere Inseltouren darf man mehr als gespannt sein. (U.S.)

Label: Discrepant