SUMMER OF SEVENTEEN: s/t

Mit dem Begriff der Supergroup verbindet man oftmals andere Musikgenres als die, die sich weit jenseits des Mainstreams positionieren, aber Summer of Seventeen kann man tatsächlich als eine solche bezeichnen: Zusammengekommen sind Daniel Menche, der seit Jahrzehnten originelle Geräuschmusik macht, Aaron Turner (Hydra Head-Gründer, Sänger und Gitarrist bei den aufgelösten Isis, aktiv bei Split Cranium und Mammifier, um nur ein paar zu nennen), seine Frau (und Bandkollegin bei Mammifier) Faith Coloccia, William Fowler Collins (der eine Reihe hervorragende Alben im Bereich Drone veröffentlicht hat) und Monika Khot, die unter dem Namen Nordra einen Techno an der Grenze zum Ambient und im Bandkontext als Zen Mother “Tragic Rock” spielt.

Der eigentlich ganz prosaische Projektname verweist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufnahmen, den titelgebenden Sommer 2017, als sich alle im Studio von Turner und Coloccia mit Randall Dunn als Produzenten trafen. Dabei ist der Kontext nicht ganz unwichtig, denn kurz nachdem die Aufnahmen beendet worden waren, wüteten im Bundesstaat Washington heftige Waldbrände. Letztlich ist es also vielleicht ganz passend, dass diese Platte im so seltsamen Jahr 2020, einem wahren Annus horribilis, erscheint. Coloccia selbst meint: „Thinking about this record now, [...]it seems like we were all sort of anticipating something like this current pandemic happening, although we were thinking about it as fire in the hands of man (literal fire, and also gunfire) that would overturn the normal running of things and reveal the current false beliefs systems holding up most of America.” Da wird im Nachhinein den Künstlern vielleicht etwas viel antizipatorische und visionäre Kraft zugesprochen, aber das spricht überhaupt nicht gegen dieses grandiose Album.

„Chorus Of The Innocents beginnt mit einer Trompete (?), die an an- und abschwellendes Sirenengeheul erinnert. „Perceived Slight“ ist minimalistisch: vereinzelte Gitarrentöne, verhallendes Brummen, doch dann setzen plötzlich brutalverzerrte Vocals ein, die auf einer Power Electronics-Veröffentlichung nicht fehl am Platz gewesen wären. „Love Without Things“ besteht aus Knirschen, Türknarzen, melodischen Flächen und verrauschten Beats. „Community Of Aesthetics“ ist eine knapp zweiminütige Klangfläche aus kaum zu lokalisierenden Vocals und Glocken. „Spirits Of Redeemer“ wird durchzogen von verwaschenem Frauengesang, der klingt, als sei er in einer Höhle aufgenommen worden und fast schon einen sakralen Charakter hat. Am Ende geht dann aber alles im Noise unter. Auf „Cultural Orphan“ flüstert eine Frauenstimme, man hört Knarzen und Rauschen, eine Gitarre wird angeschlagen und verklingt, dann setzen Verzerrungen ein und eine unheinliche Stimme ist zu hören. „Porous Aura“ ist ein metallischer Drone mit merkwürdigen Stimmen, bei denen man denken könnte, die Little People feierten gerade mit Comus. „Theatre Needs An Audience“ beendet das Album und man hat den Eindruck, jemand habe Earth ca. “Hex; Or Printing In The Infernal Method” einen Schuss Industrial injiziert.

Das ganze Album ist durchzogen von einer seltsamen Stimmung, die changiert zwischen einem Entrücktsein und einer (mehr als nur) latenten Bedrohung. Das Sprichwort von den (zu) vielen Köchen trifft auf “Summer Of Seventeen” wahrlich nicht zu. (MG)

Label: Karlrecords