USTAD SAAMI: Pakistan is for the Peaceful

Ustad Nasruddin Saami ist der einzige derzeit lebende Meister des Surti, einer Gesangstechnik, die sich seit dem dreizehnten Jahrhundert im Kontext der dem Sufismus entstammenden Qawwali-Musik entwickelte. Im Rahmen dieser in der Punjab-Region im heutigen Grenzgebiet zwischen Indien und Pakistan entstandenen Tradition des Gotteslobs bildeten sich schon früh die wesentlichen Komponenten heraus, in deren Zentrum mehrere Oktaven umfassender mikrotonaler Gesang stand, begleitet von Lautenklängen und Handtrommeln, während der Zeit der britischen Kolonialherrschaft kam das Harmonium hinzu. Qawwali-Musik hat einen hypnotischen, dröhnenden Charakter und vermag das Zeitgefühl der gewöhnlichen Alltagserfahrung aufzulösen.

Saami, der mittlerweile 76 Jahre alt ist, wurde als Kind für den Surti-Gesang auserwählt, was 35 Jahre eifriger Gesangsstudien bedeutete. In den ersten Jahren seiner Ausbildung wurde ihm, wie üblich, ein striktes Sprechverbot auferlegt, nur über seinen Gesang durfte er sich ausdrücken, um sich ganz im Medium der Stimme einzurichten und mit all ihren Aspekten vertraut zu werden. Heute umfasst seine Skala 49 Noten, und er ist nicht nur der einzige, jeden Tag über Stunden praktizierende Virtuose seines Stils, sondern ebenso als Lehrer tätig. In den letzten Jahren erreichte er auch international eine größere Aufmerksamkeit, spielte auf Festivals und nahm zwei Longplayer auf.

Über die Titel seiner Alben unterstreicht der Künstler, nicht ohne politische Implikationen, auch sein spirituelles Religionsverständnis, dass sich vom in seiner Heimat erstarkten Islamismus deutlich unterscheidet. Nach dem vor anderthalb Jahren erschienenen “God is Not a Terrorist” liegt nun der Nachfolger “Pakistan is for the Peaceful” vor. Dieses wurde von Musiker und Produzent Ian Brennan an mehreren Tagen live auf dem Dach von Saamis Haus in Karachi aufgenommen. Begleitet wurde der Meister von seinen vier Söhnen, die zusätzlichen Gesang und Instrumente beisteuerten.

Wer wenig Erfahrung hat mit derart meditativer Musik und Abwechslungsreichtum auch in ganz vordergründiger Art schätzt, könnte die drei Stücke, zwei davon sind recht lang, eher spröde und monoton finden. Auch wer für “rituelle” Musik schwärmt und darunter nur Gruselkitsch versteht, wird sich wahrscheinlich schwer tun. Die langsame, vordergründig gleichmäßige Bewegung der mit schwingenden Tambura-Lauten und Harmonium erzeugten Dröhnung und die langsamen Gesangseinheiten haben nichts einlullendes und gehen nicht allzu leicht ins ungeduldige Ohr. Mit der entsprechenden Erdung allerdings und einem gewissen Sinn für die monumentale Erhabenheit des Klangflusses offenbart sich dem aufmerksamen Geist jedoch schon vor den Einsatz der vom Meister selbst traktierten Kesseldrums eine feierliche Ergriffenheit, die Konzentration und Drängen zugleich vermittelt und dabei ansteckend wirkt. In den von minimal anmutenden Veränderungen durchzogenen,vibrierenden Repetitionen vor allem des eröffnenden “Prayer for a Saint” entfaltet sich eine hypnotische Kraft, die ekstatische Dimensionen erreicht, und in der man sich angenehm umhüllt fühlen kann. “Aman” und “True Notes” folgen einem ähnlichen Muster, legen aber eigene Schwerpunkte z.B. auf die leichte Wellenform der strömenden Harmoniumklänge, die nicht minder durchdringend sind als der Gesang.

Am Ende des etwas kürzeren finalen Tracks bleibt der Eindruck, nur einen Auszug aus einem viel längeren klanglichen Kontinuums gehört zu haben, einer Musik ohne Anfang und Ende. Als Dokument einer Kunst, die in der Form nur zu Lebzeiten eines Virtuosen existiert, kann man diese Veröffentlichung nicht genug schätzen. Bleibt zu wünschen, dass noch weitere Darbietungen dieser Art ihren Weg auf Tonträger finden.

Label: Glitterbeat / Hidden Musics