Auf seinem fünften Studioalbum verwirklicht der Australier Andrew Tuttle sein vielleicht autobiographischstes Projekt: Aus der Perspektive eines neugierigen Flaneurs erkundet er die Alexandra Hills, eine Wohngegend in der unweit von Brisbane, Queensland, gelegenen Kleinstadt Redlands, in der Tuttle aufwuchs und vor rund zwanzig Jahren seine Liebe zur Musik entdeckte.
Seinen Blick richtete er wie zu erwarten vor allem auf die vielfältigen Geräusche der Umgebung, nahm sie auf, ließ Erinnerungen Gestalt annehmen, die er wiederum mit improvisiertem Gitarren- und Banjospiel in Klang übersetzte. Als diverse Effekte und die Beiträge befreundeter Musiker hinzu kamen, konnte daraus gar nichts anderes als ein äußerst vielschichtiges Bild entstehen.
Bei dem sanften, fließenden, manchmal stockenden und oft verträumt und verbummelt anmutenden Saitenspiel, das trotz folkiger und countyesker Elemente an continuous music erinnert, mag man recht früh zu dem Schluss kommen, dass der eher dankbare als schwermütige Blick in die Vergangenheit, die nie verklärende und doch anheimelnde Stimmung beim Aufspüren des Vergangenen im Hier und Heute die Grundstimmung des Album bestimmt. “Alexandra” ist ein Werk von beiläufiger Schönheit, und man kann sich bei dem entspannten Saitenpicking gut vorstellen, wie der Musiker in den Straßen und Parks, an Bachufern und in Einkaufszentren eher den kleinen Dingen auf der Spur war, die erst mit der Zeit bemerkenswert erscheinen, wenn die verschüttete Erinnerung zurückkommt, mit der sie behaftet sind. Das ändert sich auch bei den kurzen, aufgeweckten Banjopassagen nicht, die einen für Momente aus dem passtellfarbenen Tagtraum holen und dem Klischee nach so gar nicht nach Australien passen.
Nur gelegentlich, bei lat krakeelenden exotischen Vogelstimmen oder dem raunenden Stimmengewirr in einer Mall lugt so etwas wie Spannung um die Ecke – die Alexandra Hills scheinen in Tuttles Kosmos kein traumatischer und auch kein betont sehnsuchtsbehafteter Ort zu sein, aber er ist auch keineswegs belanglos. (A. Kaudaht)
Label: Someone Good